Selig die Trauenden, denn sie werden getröstet werden

Der hl. Gregor v. Nyssa vergleicht die acht Seligpreisungen mit einer 8-stufigen Leiter oder mit einem Weg zur Bergspitze. Durch die Betrachtung und Einübung der Seligpreisungen steigen wir immer höher, Stufe für Stufe, Schritt für Schritt, denn, wer im Geiste die erste Stufe der Seligpreisung betreten hat, will unbedingt weiter aufsteigen bis zum Licht der Wahrheit (vgl. 3 Homilie 2f).

„Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden!“

Wer sind jene, die trauern? Worüber und wozu kann man trauen?

Wer sind jene, die getröstet werden? Bei wem und wodurch können sie ihren Trost finden?

Trauer und Trost. Jeder von uns erlebt immer wieder Momente der tiefsten Trauer. Verlust eines lieben Menschen, vielleicht Enttäuschungen in der Liebe unabhängig davon, ob man als Priester zölibatär oder verheiratet leben will. Manchmal erlebt man auch Trauer darüber, dass man nicht weiß, wofür man sich entscheiden soll; wie sieht die Zukunft aus? Trauer nach einer nicht bestandenen Prüfung, Trauer darüber, dass andere mir zu wenig Aufmerksamkeit schenken. Also auch Trauer im Sinne von Angst, Sorge und Einsamkeit. Jeder von uns kennt solche Gefühle…Sie sind nicht angenehm, aber sie gehören zum Leben eines jeden. Sie sind auch Prüfsteine unserer Frömmigkeit, die zeigen, ob wir fähig sind eigene Traurigkeit wahrzunehmen, denn öfters ist es so, dass wir dadurch Trost erfahren können. Sehr schön hat eine Gründerin von „Werk Mariens“ Chiara Lubich in diesem Zusammenhang gesagt: „Der Durchmesser einer Baumkrone entspricht oft dem Durchmesser der Wurzeln. Die Liebe eines Menschen entspricht dem Schmerz, den er erlitten und in Liebe umgewandelt hat.“

Der Apostel Paulus nennt in Hinblick auf die korinthische Gemeinde (2 Kor 7,8-11) zwei Arten von der Traurigkeit: eine gottgewollte, die eine Sinnesänderung zum Heil bzw. die Umkehr und Buße verursacht – und eine weltliche, die zum Tode führt. Die erste Traurigkeit sehnt sich nach dem höchsten Gut, nach Gott, nach einer Beziehung mit Ihm, nach Communio. Die zweite ist eine Traurigkeit, über die Nietzsche spricht, manchmal auch zurecht, indem er den Christen vorwirft, sie seien immer traurig und betrübt, als ob sie von ihrem Heiland nicht erlöst worden wären. Fragen wir uns in unserem Herzen, welche Traurigkeit wir empfinden? Um seliggepriesen zu sein und auf der geistlichen Leiter zu bleiben, müssen wir die erste haben, also die Sehnsucht nach Gott.

Mit den Worten bei Mt 5,4 meint Jesus nicht nur die Jünger, die schweren Prüfungen ausgesetzt waren, sondern auch uns, seine heutigen Jünger und alle Christen, die mancherlei zu leiden haben. Wir alle finden letztlich nur Trost in Gott, denn von Ihm werden wir getröstet werden. Darauf weist der Ausdruck „getröstet werden“ hin: derjenige der Trost bringt ist Gott. Der Trost für uns entspringt aus der Gemeinschaft mit dem Tröster; denn die Gabe des Trostes ist eine besondere Wirkung des Heiligen Geistes“ (vgl. Gregor v. Nyssa, 3 Homilie 5). Der Hl. Geist ist unser Tröster, Helfer und Beistand; Gottes Trost hat letztendlich eine eschatologische Dimension, indem wir im Gericht, also nach unserem Tod, ewigen Trost empfangen können. Er ist der Herr aller Tröstungen (Jes 57,18f).

Können wir als Christen unseren Mitmenschen, Trost spenden? In dieser Hinsicht wären wir dann unserem Gott ähnlich. Dann wären wir die Mitarbeiter Gottes, seine Mitstreiter. Jemanden zu trösten ist also eine Gabe, eine Wirkung des Heiligen Geistes. Im AT finden sich öfters zwei Bilder für JAHWE als Tröster: Er ist der Hirte (Jes 40,11; Ps 23), der seine Herde führt und Er ist die Mutter (Jes 66,11.13), die sich um ihre Söhne kümmert. Gottes Trost kommt nicht nur unmittelbar von Ihm selbst, sondern oft auch durch Mittler und Kanäle zu den Menschen. Einer dieser Trost-Kanäle ist das Gottes Wort, die Bibel (vgl. Ps 119,50); ein zweiter Kanal waren im AT die von Gott berufenen Propheten, die das Volk Israel trösteten, ermutigten, ihm Hoffnung gaben und ihm Wege zu Gott zeigten.

Du und ich, wir sind diese Propheten des 21. Jhs., um anderen Trost zu spenden und Halt im Leben zu geben. Für die alttestamentlichen Propheten war es der schönste Beruf, Gesandter JAHWEs zu sein. Wir alle sollen also Trostträger und Trostvermitter Gottes sein, wir Priester und auch die zukünftigen Priester, die Seminaristen. Denn „wir sind Gesandte an Christi statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt“ (2 Kor 5,20). Sind wir uns dessen auch bewusst? Aber wie werde ich jemand trösten oder ermahnen können, wenn ich das in der Familie, z.B. im Priesterseminar, im Collegium, nie geübt habe?

Weitere Bedeutungen von παρακαλέω (trösten) sind mitzuleiden, sich zu erbarmen, Mut zu zusprechen, freundliches Zureden, jemanden ermahnen, ermuntern, beruhigen, stärken, einladen, Perspektive aufzuzeigen. Das ist genau das, was der Apostel Paulus sagt, für einander Lasten zu tragen (Gal 6,2). Um auf der zweiten Stufe der Seligpreisung-Leiter zu bleiben, müssen wir versuchen, diese Worte in die Praxis umzusetzen.

Wie, werdet ihr fragen? Ganz einfach: wenn ich merke, dass mein Mitbruder oder meine Mitschwester traurig, betrübt oder schlecht gelaunt sind, dann sollte ich mich beeilen, freundlich zu fragen, wie es ihm oder ihr geht, vielleicht kann ich helfen. Manchmal reicht sogar nur das Wissen, dass mein Mitbruder in seinen Gebeten an mich denkt. Wir dürfen nicht gleichgültig zueinander sein! Eine manchmal auftretende Gefahr ist es auch im Collegium physisch anwesend zu sein, aber mit Geist und Gedanken weit weg in der eigenen „heilen Welt“ zu verweilen. Das Maß an Interesse für die Gemeinschaft und an deren einzelnen Mitgliedern ist auch ein Spiegel der geistlichen Reifung. Vergessen wir auch nicht, dass wir hier nicht nur Wissenschaft treiben, was natürlich wichtig ist, sondern auch, dass wir hier lernen sollen im alltäglichen Umgang miteinander geistliche Reife zu erlangen.

Wir gehen einen Teil unseres Lebensweges zusammen und sind selig zu preisen, wenn wir ein offenes Herz und Ohr für einander haben. Wenn wir so leben, dann bricht die eschatologische Gottes Tat schon jetzt in unsere Gegenwart hinein. Wir sind dann selig. Fragen wir uns bitte heute: Bin ich wirklich so selig, wie es die zweite Seligpreisung verspricht. Handle ich wirklich so, um den alttestamentlichen Propheten und Christus ähnlich zu sein? Kann ich selbst mit meiner Traurigkeit umgehen und anderen Mut zusprechen?

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