Wir wollen die letzten zwei Sprossen unserer geistlichen Leiter besteigen, indem wir über zwei Seligpreisungen nachdenken. Ein Nachdenken, übertragen auf unser Leben bzw. auf unsere geistlichen Streben und Bemühungen.
Was ist Friede? Was heißt es Frieden zu stiften? Ist Friede überhaupt möglich?
Was diese Seligpreisung in Bezug auf das Frieden-Stiften angeht, kann man von vier Ausrichtungen des Friedens sprechen: vom Frieden mit sich selbst, vom Frieden mit den Menschen, vom Frieden mit der Natur und schließlich vom Frieden mit Gott. Unser innerer Friede verschafft in uns ein Gefühl von Geborgenheit, Vertrauen und Zufriedenheit. Wir werden nie als Priester oder einfach Christen anderen Frieden geben können, wenn wir selbst in uns diesen Frieden nicht haben. Es ist ein Glück, eine Gnade, wenn der Mensch mit sich selbst in Frieden lebt, wenn sich der Mensch um diesen inneren Frieden bemüht. Keiner kann ihn dann aus der Fassung bringen; er steht wie ein auf dem Felsen gebautes Haus (vgl. Mt 7,24). Gregor von Nyssa sagt folgendes dazu: „[…]friedfertig ist aber jener, welcher den Frieden einem anderen verschafft; freilich kann man nur das anderen gewähren, was man selbst besitzt. Wenn du vor allem selbst mit den Segnungen des Friedens gesättigt bist, dann aber kannst du anderen davon mitteilen, die diese Güter nicht haben“ (7 Homilie 3).
Der hl. Franz von Sales fasst einen ähnlichen Gedanken in diese Worte: „Es gibt nichts in der Welt, das so wertvoll wäre wie der Herzensfriede.“
Der innere Friede hängt unmittelbar davon ab, ob wir mit Gott in Frieden sind, denn er, der „Herr ist Friede“ (Ri 6,24) – und ob wir uns öffnen den Shalom, den Gott uns aus seiner Hand schenken will, zu empfangen. Denn der Friede nach biblischem Verständnis hat immer mit Gott zu tun. Deswegen kann niemals ein stabiler politischer Friede entstehen, wenn diejenigen, die sich um Frieden „bemühen“ nicht Gott als Frieden vor Augen haben, sondern nur eigene Ziele und eigenen Nutzen.
Jesus Christus ermutigt seine Jünger und sagt: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch“ (Joh 14,27). Auch der Apostel Paulus wird nicht müde seine Gemeinden zu ermahnen, miteinander in Frieden zu leben (z. B. 2 Kor 13,11).
Somit gelangen wir zu der dritten Ausrichtung des Friedens: Friede mit den Menschen, mit unseren Mitschwestern und Mitbrüdern. Nur der Mensch, der mit sich und mit Gott in Frieden lebt, kann zu einer Quelle des Friedens für die anderen werden und die anderen „anstecken“; er kann zu einem Licht werden, an dem sich andere wärmen können; eine Kerze, die andere anzünden kann; ein Feuer, das verhärtete Herzen zum Schmelzen bringt.
Das ist genau das, was Paulus im Römerbrief sagt: „Vergeltet niemand Böses mit Bösem! Seid allen Menschen gegenüber auf Gutes bedacht! Soweit es euch möglich ist, haltet mit allen Menschen Frieden!“ (12,17f).
Ganz praktisch erklärt diese 7. Seligpreisung Gregor von Nyssa (7 Homilien 3), in dem er sagt, dass unter Frieden nichts anders zu verstehen sei als „eine liebevolle Übereinstimmung mit unseren Mitmenschen. Was ist aber der Liebe zum Nächsten entgegengesetzt? Hass, Zorn, Neid, Groll, Rachsucht, Heuchelei, Streit“. Daraus ließe sich erkennen, dass der Friede heilendes Gegenmittel sei gegen zahlreiche und schlimme Krankheiten, die er vertreibt und beseitigt.
Der Friede mit der Schöpfung. Eine Friedensausrichtung, die nur im Licht der oben erwähnten Ausrichtungen verstanden werden kann; ein Thema, über das gerne gesprochen, aber sehr wenig getan wird. Seit mehr als 200 Jahren lebt der Mensch im Krieg mit der Natur, mit Flora und Fauna, indem er sich wie ein Eroberer und Ausbeuter benimmt und nicht wie der von Gott eingesetzte „gute Verwalter“ seiner Schöpfung.
Liebe Kollegiaten! In diesen vier Ausrichtungen des Friedens können wir uns einen vierbeinigen Tisch vorstellen, der gerade weil er vier Beine hat, auch auf unebener Fläche feststeht. Frieden-Stiften heißt dann für uns Teilhabe an Gott, an seinem Leben – so werden wir zu seinen Söhnen.
Zu der 8. Seligpreisung möchte ich nur ein paar Stichworte sagen.
Selig sind die, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, diejenigen, die ihre Treue zu Gott, und zur Kirche nicht aufgegeben haben und den Märtyrertod erlitten haben. Es sind selige Märtyrer von Anfang an bis in die heutige Zeit. Es sind Märtyrer, die diese Seligpreisung ernst genommen haben; die auch in der Überzeugung und Vertrauen auf Christi Wort „ihnen gehört das Himmelreich“ ums Leben kamen.
Es sind Märtyrer, die uns Vorbilder sein können, in unserer Lebensführung, in unserer Treue zu Christus im alltäglichen Bekenntnis zu unserem Glauben und in unserer Standhaftigkeit.
Es sind Tausende, über die wir nichts wissen, die aber vor Gott selig sind. Tausende, die in der Nazi-Zeit im KZ oder in der kommunistischen Zeit in Gulags ermordet wurden. Nicht nur Bischöfe, Priester, Diakone oder Ordensleute, sondern auch einfache Laien, die Christus nicht verleugnet und den Glauben nicht aufgegeben haben. Sei es in Deutschland, Georgien, in der Ukraine, Slowakei, Ungarn, Armenien, Libanon, Indien oder an anderen Orten der Welt.
Vielleicht gehört die Verfolgung zum Wesen der Kirche, in der der „Leib Christi“ gereinigt wird wie durch Siebe, indem die die Worte „das Blut der Märtyrer ist der Samen der Kirche“ (Tertulian, apol. 50,13) nie an ihrer Aktualität verlieren.
Edith Stein, Maximilian Kolbe, Petro Verhun, Pavel Gojdič, Grigol Peradse und viele anderen dürfen uns Mut geben, nicht unbedingt durch das Blut Christus zu bezeugen, aber durch unsere Treue zu ihm, durch unsere Standhaftigkeit, durch unsere Lebensführung, durch unsere Liebe, immer und überall. Jeder muss sich selbst entscheiden, ob er den Spuren der treuen Nachfolger Christi folgen will, oder nicht. Amen.