Ein Himmel voller Sterne in einer wolkenlosen Nacht; ein Sternenhimmel, dessen Betrachtung uns ins Staunen versetzt und zugleich zum Nachdenken bringt. Vielleicht entstehen bei der Betrachtung auch viele Fragen, die immer unbeantwortet bleiben. An so einem Himmel mit Sternen ließ Gott Abraham seine Verheißung erkennen. In der Vision Abrams (vgl. Gen 15,1-6) zeigt sich sein Ringen mit Gott. Als Erstes, so wird ihm mitgeteilt, solle er sich nicht fürchten, denn Gott sei sein Schild und seine Belohnung. Aber das genügt Abraham nicht, genau wie in den Verhandlungen über die Rettung der Gerechten in Sodom (vgl. Gen 18,22-33).
Er will Gott seine Sorgen und Anliegen anvertrauen; er will ihm sein Herz ausschütten. Besonders die Sorge darüber, dass er in der Zukunft keine Sicherheit hat, wenn ein Haussklave sein Erbe wird. Die Sehnsucht nach einem Nachkommen macht ihn verzweifelt und traurig. Auch die Worte des Herrn, dass es nicht so kommen wird, überzeugen Abraham nicht. Er braucht einen Beweis, er braucht etwas, was ihn immerdar an die Verheißung und Treue Jahwes erinnern wird.
Der Himmel voller Sterne wird dafür ein Zeichen. Um dieses Zeichen zu geben, führt Gott Abraham aus seinem Zelt heraus, lenkt seinen Blick zum Himmel und fordert ihn auf, die Sterne zu zählen. Im diesem Moment kommt Abraham an seine Grenzen – er vermag das nicht. Zwar nutzt er als Halbnomade die Sterne, um sich besser auf seinen Wanderwegen zu orientieren, aber hier enden seine Fähigkeiten.
Vor den eigenen Grenzen stehend öffnet sich für ihn ein ganz anderer Horizont: Der Horizont des Glaubens und des Vertrauens auf Jahwe. Diesen Horizont nimmt er nun an, aus freiem Willensentschluss. Er macht sich stark und fest in Gott, ein für alle Mal. Sich in Gott Festmachen bedeutet sicher und zuverlässig zu sein. Das hat Abraham erfahren, weil er Jahwe glaubte und dies wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet. Größe, Macht und Schöpfungswerk am Himmelsgewölbe (vgl. Gen 1,14-19) bewegen ihn zu einer neuen Sichtweise. Jetzt verstand Abraham: Jahwe bleibt seinen Verheißungen immer treu und es hängt eigentlich nur von ihm selbst ab, ob er sich dieser Treue Gottes bewusst ist und ob er diese Treue im Alltag lebt. Er hat kein Risiko! Jahwe geht das Risiko ein, einen einseitigen Bund mit Abraham zu schließen, und dies nur aus einem einzigen Grund: Er will ihm seine unendliche und uneigennützige Liebe zeigen.
Nicht nur das Himmelgewölbe voller Sterne soll Abraham ein Beweis der Treue Gottes und seiner Verheißungen sein, sondern auch der Staub auf der Erde (vgl. Gen 13,16). Unzählige Sterne am Firmament und unzählige Staubteilchen auf der Erde sind zwei sichtbare Bilder für Abraham, um sich im Glauben an Jahwe sowohl in der Nacht als auch am Tag festzumachen. Am Tag geht er durch den Staub und kann sich an die Verheißungen erinnern, und in der Nacht, wenn kein Staub mehr zu sehen ist, kann er in den Himmel blicken und ebenfalls an den Gottes Bund denken. Sich immerdar an Gott zu erinnern, in seiner Gegenwart zu wandern und zu leben – das ist die Grundlage nicht nur für Abrahams Glauben, sondern auch für unseren persönlichen Glauben an Gott. Ein biblischer Hinweis, dass Jahwe stets bei den Seinigen (bzw. bei seinem Volk) verweilt und diesen den Weg weist und sie begleitet, lässt sich in Ex 13,22 erkennen: „Und der Herr zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, […] und bei Nacht in einer Feuersäule […].“ Das sich Festmachen in Jahwe gab Abraham damals große Hoffnung und schenkte ihm Lebensfreude. Im Gegensatz zu ihm schildert Jesaja eine andere Person, nämlich den König Ahas von Juda. Dieser hörte nicht auf die Worte des Propheten und verweigerte jedes Zeichen von Gott. So machte er sich keineswegs fest in Gott (vgl. Jes 7,9; auch 28,16). Der König versagt im Glauben an Jahwe, aber es wird ihm trotzdem ein großes Zeichen gegeben, das bis heute und für ewig seine Gültigkeit hat: Ein Zeichen, das auch uns heute, besonders in dieser Adventszeit neue Hoffnung und Lebensfreude gibt: „Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären und sie wird ihm den Namen Immanuel (Gott mit uns) geben“ (Jes 7,14).
Meine Lieben! Sehr oft stehen auch wir vor der Wahl, wie damals Abraham oder König Ahas, was wir machen sollen, wenn die Zukunft uns unsicher erscheint. Dann sollten wir dem Lebensbeispiel Abrahams folgen und uns in Gott, der bald als Kind in einer Krippe erscheinen wird, festmachen. Der Glaube der Väter (vgl. Hebr 11,1-12,3) und deren Sehnsucht nach dem Messias sollten uns ermutigen und uns das Gefühl geben, dass wir erlöst sind, dass wir von Gott geliebt sind (vgl. Joh 3,16), dass der ewige Gott einer von uns wird (vgl. Joh 1,14; Phil 2,5-11). Kommt heraus, wie damals Abraham, aus euren Zelten, aus euren Zimmern. Geht am Abend spazieren, bleibt nicht sitzen vor „eurem Himmel“, der oft ca. 40 x 30 cm und 17-Zoll-Display hat, sondern schaut in den Himmel voller Sterne hinauf und versucht ein paar Minuten dabei zu bleiben. Dann bewundert die Macht, Größe und Unendlichkeit Gottes und vergleicht dies alles mit euch selbst, mit eurer Existenz. Wie schön die Schöpfung Gottes ist und wie groß seine Liebe zu uns! Was sind wir, dass Gott unser gedenkt und für uns sorgt? (vgl. Ps 8,4). Wenn die Weisen aus dem Morgenland nur in ihren Zelten gesessen und nie in den Himmel geschaut hätten, hätten sie niemals den Messias finden und ihm huldigen können (vgl. Mt 2,1-12). Öffnet euren geistlichen Horizont, macht euch in Gott fest, bereitet eure Herzen und eure Seelen für die Geburt des Gottes Sohnes vor, werdet lebendige Krippe Christi und schließlich erhebt eure Augen in die Höhe, zum Himmel und freut euch darüber, dass Gott Mensch wird, damit wir zu Söhnen Gottes werden, damit wir vergöttlich werden, damit wir zu Trägern des Geistes werden können (vgl. Iren. 3 haer. 19,1; Athan. incarn. 54; 8).