Heute lade ich euch ein, dass wir uns Gedanken dazu machen, ob Gott uns Menschen auf die Probe stellt. Dabei taucht natürlich gleich die Frage auf, warum denn? Empfindet Gott etwa einen „Genuss“, wenn der Mensch geprüft wird, oder gar eine „Freude“, wenn die Prüfung nicht bestanden wird? Im Blick auf die aktuelle Debatte über die Vaterunser-Bitte möchte ich am Beispiel Abrahams und an anderen Bibelstellen aufzeigen, dass Gott sich auch als Vater erweist, wenn er einen Menschen erprobt. Eine erste Prüfung fand schon im Paradies statt (vgl. Gen 3,1-16). Adam und Eva sind durchgefallen, weil sie vom verbotenen Baum aßen. Im AT stellte Jahwe sein Volk Israel auf die Probe (Ex 16,4; 20,20; Dtn 13,4; 33,8), damit es sich bewährt, damit es fügig und gehorsam wird, damit es treu und gläubig seinem Gott gegenüber ist. Das Prüfen Gottes verfolgt ja im Wesentlichen das Ziel, sein Volk zur Erkenntnis des Guten zu führen. (vgl. Dtn 8,16). Diesen Gedanken findet man auch in Weish 3,5-9, nämlich, dass die Gerechten gezüchtigt und von Gott wie Gold im Schmelzofen erprobt werden, damit sie zuletzt eine große Wohltat empfangen, Gott würdig werden und ein vollgültiges Opfer sind. So wird Gottes Gnade und Erbarmen den Geprüften zuteil. Der Herr prüft Gerechte und Frevler (Ps 11,5) und als Allmächtiger wählt er verschiedene Mittel der Erprobung. So kann z.B. Satan ein Mittel sein, wie im Ijobbuch gezeigt, (vgl. Ijob 1,6-12; 2,1-8); und auch Demütigung (Dtn 8,2) und andere Menschen (Ri 2,22) können als Mittel eingesetzt werden.
Aus diesem Blickwinkel erscheint die Erprobung Abrahams gar nicht verwunderlich. Nachdem der Sohn Isaak geboren war und auf diese Weise die Verheißung Gottes in Erfüllung ging, fragt man sich, warum Gott Abraham auf eine so schwere Probe stellt, Isaak als Opfer darzubringen. Vielleicht deshalb, weil Abraham sich in Bezug auf seine Zukunft zu sicher fühlte. Die enge Beziehung zu Jahwe, das Vertrauen und sich ständiges Erinnern an Gott, wenn er die Sterne am Himmel und den Staub auf Erde erblickte, waren nach der Geburt des Sohnes nicht mehr von erster Bedeutung. Das war vielleicht der Fehler, den jeder Mensch auch heutzutage leicht begehen kann. Gott verlangt von Abraham keine Menschenopferung, aber diese Erfahrung, das innere Ringen und Kämpfen, ja der Leidensweg dürfte Abraham wieder in eine Beziehung zu Gott bringen. Diese Erzählung in Gen 22 verrät uns gar nicht, ob Abraham als Vater Zweifel oder Rückfragen an Gott hatte, sondern nur die Entschiedenheit und Bereitschaft trotz allem Gottes Willen zu erfüllen. Im Gehorsam, im Glauben und in Demut handelt er, weil er sich bewusst war: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, der Name des Herrn sei gepriesen“ (Ijob 1,21). Abraham steht frühmorgens auf, bereitet alles vor für die dreitätige Reise und macht sich sofort auf den Weg. Was er als Vater dabei dachte oder fühlte bleibt uns unbekannt. Vater und Sohn gehen miteinander das letzte Stück ihrer Reise auf den Berg. Mit jedem Schritt wurde die Probe für Abraham schwerer und der Schmerz unerträglicher. Wie ein Schwert, der ins Herz des Vaters dringt, muss auch der kurze Dialog zwischen dem Sohn und dem Vater in Abrahams Ohren erklingen. „Vater! Er antwortete: Ja, mein Sohn! Dann sagte Isaak: Hier ist Feuer und Holz. Wo aber ist das Lamm für das Brandopfer? Abraham entgegnete: Gott wird sich das Opferlamm aussuchen, mein Sohn. Und beide gingen miteinander weiter.“ Das zweimalige Vorkommen des Ausdrucks „mein Sohn“ unterstreicht die liebesvolle Zuwendung des Vaters zu seinem Kind. Trotzdem geht er schweigend weiter, denn es fehlt schwer in so einer Situation mehr Worte zu sprechen. Denn warum soll man das, was man am liebsten hat, loswerden und ohne zu wissen, warum? Den geliebten Sohn, die Verheißung Gottes, seine ganze Zukunft, all seine Hoffnung, soll Abraham aufgeben, soll sie Gott opfern. Im Grund ist es die Opferung seiner selbst, seines eigenen freien Willens in dem totalen Vertrauen auf Gott (nicht mein, sondern dein Wille geschehe). Und er schickt sich an, das zu tun. Unter furchtbaren seelischen Schmerzen bereitet er einen Altartisch mit eigenen Händen schichtet das Holz auf, fesselt Isaak, um schließlich das Messer zu heben, und den geliebten Sohn darzubringen. In der letzten Sekunde dieses Dramas, dieser Prüfung, wendet sich alles zum Guten. Ein zweimaliger Ruf, Abraham, Abraham, lässt ihn innehalten … die Prüfung ist bestanden. „[…] streck deine Hand nicht gegen den Knaben aus und tu ihm nichts zuleide! Denn jetzt weiß ich, dass du Gott fürchtest; du hast mir deinen einzigen Sohn nicht vorenthalten.“ Abraham und Isaak, Vater und Sohn gehen gemeinsam den Leidensweg bis zum rettenden Eingreifen Gottes. Auch Jesus geht mit Gott-Vater gemeinsam den Leidensweg bis der Vater ihn nach drei Tagen zum Leben auferweckt hatte. Was sagen uns diese beiden Prüfungen? Gott braucht keine Opfergeschenke, denn ihm gehört ohnehin alles; wir alle sind seine Schöpfungen, seine Kinder. Das einzige, womit er uns immer wieder prüft, ist unser freier Wille. Er lässt uns so die Erfahrung machen, ob wir bereit sind uns selbst „hinzugeben“, was nichts anderes bedeutet, als ihm voll und ganz zu vertrauen. So werden wir, als Christen und als Kinder Gottes immer wieder mancherlei Prüfungen oder psychische Belastungen zu tragen haben, aber wir müssen wissen, dass Gott uns niemals über unsere Kräfte hinaus prüfen wird, dass er sich uns gegenüber immer als treu erweist und uns den Ausweg aus der Versuchung zeigt (vgl. 1 Kor 10,13). Oftmals verstehen wir verschiedene Ereignisse um uns erst im Nachhinein, rückblickend. Daran erkennen wir dann manchmal auch den Willen Gottes. Durch verschiedene Gegebenheit sammeln wir kostbarste Erfahrungen für unser Leben. Wir müssen auch lernen geistlich zu kämpfen; durch die bestandenen oder nicht bestandene Prüfungen und Proben werden wir reifer und sicherer. Als Priester werden wir auch vor Herausforderungen gestellt, was man tun soll, wenn andere Menschen geprüft werden und unsere Hilfe brauchen. Wir werden oft auch keine Antworten finden oder eine Lösung empfehlen können. Was wir tun können, ist, dem Menschen zuzuhören, gemeinsam mit ihm seinen Weg zu gehen und stets zu versuchen, das Vertrauen auf Gott zu stärken und zu bewahren. Letztendlich bleibt vieles ein Geheimnis. Denn Gott sagt selbst: „So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken“ (Jes 55,9). Und es ist vielleicht gar nicht schlecht, wenn diese Frage immer präsent bleiben, ähnlich wie Sterne und Staub für Abraham (vgl. Gen 22,17), damit man immerdar an Gottes Verheißungen denkt und sich gewiss ist, Gott als liebender Vater wird uns nie in Stich lassen, sondern wie Abraham in letzter Sekunde aus der Not befreien. Vertrauen wir bitte darauf. Amen.