Geburt Christi: heute beginnt alles!

Sehr oft sprechen wir im Alltag das Wort „Heute“ aus. Die Verwendung dieses Wortes bezieht sich in vielen Fällen auf den Menschen selbst; das Ausgesprochene hat etwas mit dem Menschen zu tun, mit seiner Tätigkeit, mit seinen Vorhaben. Wir sagen z.B.: Heute möchte ich auf den Adventsmarkt gehen; heute möchte ich das Ticket nach Hause bestellen; heute werde ich in meinem Leben etwas Neues beginnen, einen neuen Schwerpunkt setzen. Bei all seinen Vorhaben spielt die Willensstärke des Menschen eine große Rolle. Hat er Mut und Tatkraft das umzusetzen, was er beabsichtigt? Ganz anderes als bei den Menschen ist es bei Gott. Wenn er etwas will, dann geschieht es (vgl. Gen 1,1-2,4). Das „Heute“ des Menschen unterscheidet sich grundlegend von dem „Heute“ Gottes.

Auch in der Bibel begegnen wir sehr oft dem Wort „Heute“ und zwar in den beiden Bedeutungen „profan“ und“ theologisch“ (vgl. E. Fuchs, Art. σήμερον, in: ThWNT VII, 269-274). Das Wort „σήμερον“ („Heute“) eröffnet eine neue Wirklichkeit, eine neue Heilszeit (vgl. Dtn 30,15-20). Im göttlichen „Heute“ kommt das Entscheidende ans Licht. Das „σήμερον“ bedeutet auch die Erfüllung des Verheißenen (vgl. Dtn 5,3), die Offenbarung (Gen 22,14). Im AT war es klar, wenn das „Heute“ verwirkt wird, ist die ganze Existenz des Menschen bedroht oder gar verwirkt (vgl. Gen 4,14). Was „Heute“ von Gott als Wort an die Menschen ergeht, will ernst genommen und ein Teil des Menschen werden. Das göttliche Heute beinhaltet die Vergangenheit und blickt hoffnungsvoll in die Zukunft, bis in die Ewigkeit. Mit dem göttlichen „Heute“ ist stets die Zeit nach einem Eingreifen Gottes (durch Wort oder Tat) gemeint, das eine neue Zeit für die betroffenen Menschen einläutet bzw. ermöglicht (vgl. Dtn 26,17-19).

Den Gedanken möchte ich gerne aufgreifen und auf das Lukasevangelium projizieren. Für Lukas wird „σήμερον“ fast zu einem Evangelium-Programm. Dieses Programm zeigt sich zumindest an drei markanten Stellen, an denen die neue Wirklichkeit zum Tragen kommt:

Erstens: Der Verbrecher am Kreuz bittet Jesus seiner zu gedenken, wenn er in sein Reich kommt. Erstaunlich, aber Jesus sagt zu ihm: „Heute („σήμερον“) wirst du mit mir im Paradies sein“ (vgl. Lk 23,43). Somit kommt der reuige Verbrecher als erster mit Jesus ins Paradies. Für ihn beginnt mit dem von Jesus gesprochenen  „σήμερον“ die neue Wirklichkeit, eine neue Zeit, nämlich das ewige Leben.

Zweitens: Der Zöllner Zachäus in Jericho will Jesus sehen, deswegen klettert er auf einen Maulbeerbaum. Und was wird ihm gesagt: „Zachäus, kommt schnell herunter! Denn ich muss (göttliches δεῖ) heute („σήμερον“) in deinem Haus zu Gast sein“ (Lk 19,5). Nach dem Bekenntnis zu Jesus, er nennt ihn ja „Herrn“, und nach der Reue des Zachäus, spricht der göttliche Gast: „Heute („σήμερον“) ist diesem Haus das Heil geschenkt worden […]“ (Lk 19,9). Ebenso wie für den Verbrecher neben Jesus am Kreuz beginnt für Zachäus die neue Wirklichkeit, die Heilszeit. Sowohl der eine als auch der andere haben es nicht versäumt, in dem entscheidenden Moment der Begegnung mit dem Herrn zu agieren; Für sie wird diese Begegnung ein entscheidendes Ereignis, das ihre Zukunft fundamental beeinflusst.

Es gibt noch eine dritte Stelle im Lk, wo das Wort „σήμερον“ vorkommt. Diese Stelle ist eigentlich das für die Menschheit wichtigste „göttliche Heute“. Es ist die Erzählung von der Geburt Jesu.

Als Jesus geboren wurde, bringt der Engel des Herrn den Hirten auf dem Feld die frohe und wichtige Botschaft. „Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, […] Heute („σήμερον“) ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr“ (Lk 2,9-11).

Mit „Heute“ beginnt eine neue Wirklichkeit, die Erlösungszeit nicht nur für die Hirten, sondern für jeden gläubigen Christen, auch für uns. Die Einladung sich in die Krippe zu begeben, um dem Jesus-Kind zu begegnen ist damals wie heute aktuell. Trotzdem zeigt sich unter den Christen eine Akzentverschiebung  weg von dem Wesentlichen das gefeiert werden soll,  hin auf Unwesentliches, wie Freizeitspaß und Kommerz. In der Adventszeit müssen wir uns fragen: Was bedeutet die Geburt Christi für mich? Wenn ich weihnachtliche Gottesdienste feiere oder am Heiligabend zu Tisch sitze, woran denke ich, worüber freue ich mich, wofür danke ich? Das Weihnachtsfest darf nicht zu einer Routine werden. Um das zu verhindern, bedarf es innerer Vorbereitung, einer Askese. Wer sonst, wenn nicht wir müssen das „σήμερον“ ernst nehmen und uns dementsprechend vorbereiten. Das wichtigste Geschenk für das Jesus-Kind sind wir selbst: Du und ich. Vor dem großen Fest der Geburt Christi ist es sehr ratsam, zur Beichte zu kommen, um unsere Herzen und Gedanken, von all dem, was uns belastet, zu reinigen. Wenn wir Christus in der Eucharistie empfangen, werden wir zu einer lebendigen Krippe. Und von uns hängt es ab, ob wir das Jesus-Kind in uns wachsen lassen. „Das in uns geborene Kind ist Jesus, der in denen, die ihn aufnehmen, auf unterschiedliche Weise heranwächst an Weisheit, Alter und Gnade. Denn er ist nicht in jedem der Gleiche. Nach dem Gnadenmaß dessen, in dem er Gestalt annimmt und nach der Fähigkeit des ihn Aufnehmenden erscheint er einmal als Kind, dann als Heranwachsender und schließlich als Vollendeter.“ (H. Rahner, Die Gottesgeburt. Die Lehre der Kirchenväter von der Geburt Christi im Herzen der Gläubigen, in: ZKTh 59 (1935), 333-418). Der hl. Basilius der Große sagt bezüglich der Geburt Christi folgendes: „[…] O Tiefe der Güte und Liebe Gottes zu den Menschen! Wegen des Übermaßes der Geschenke glauben wir dem Wohltäter nicht. Wegen der großen Menschenfreundlichkeit des Herrn versagen wir ihm den Dienst! O törichte und boshafte Unerkenntlichkeit! Die Magier beten an, und die Christen grübeln nach, wie Gott im Fleische, und in welchem Fleische er […] empfangen worden sei!“ (Hl. Basilius der Große, Homilie über die heilige Geburt Christi, 2.6, in: PG 31, 1459f. dt.: Dr. Anton Stegmann, Bibliothek der Kirchenväter 47, 405-41). Wenn wir Basilius´ Worte mit unserer Zeit vergleichen, gibt es viel Grübeln, viel Gerede über unnütze Dinge, sodass die Gefahr besteht, das göttliche „σήμερον“ zu verpassen und die neue Wirklichkeit zu versäumen.

Darum bereite dich, Du Jünger Christi, rüste dich, Du Nachfolger Christi, sei dankbar, Du Apostel Christi, öffne dein Herz und freue dich, denn Christus wird geboren, um dich leben zu lassen, um dich aufzurichten. Amen.

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