„Von der Wiege bis zur Bahre“ ist eine hierzulande meist scherzhafte Redewendung. Diese bedeutet nämlich das ganze Leben hindurch, von der Geburt bis zum Tod. Die Wiege symbolisiert den Beginn des Lebens und ist ein Bettchen für ein kleines Kind, die Bahre dagegen das Lebensende und ist ein Gestell für den Transport eines Toten. Diesen Ansatzpunkt, „von der Wiege bis zur Bahre“ nehme ich gerne auf und möchte anhand dieses Bildes darauf hinweisen, dass jeder von uns von der Geburt bis zum Tod sein Wissen vertiefen sollte. Man lernt nie aus, sagt man sehr oft. In diesem Lernprozess gibt es immer wieder „heiße Phasen“, in denen unsere Kompetenz und unser Wissen auf den Prüfstein gelegt werden. So eine heiße Phase ist bereits eingetreten und damit meine ich gar nicht das Wetter und die jetzigen heißen Sommertage, die uns zu schaffen machen, sondern damit meine ich „heiße Phase“ der Prüfungszeit. „Von der Wiege bis zur Bahre“ begleiten uns Prüfungen, kleine und große, wichtige und weniger wichtigere, in der Schule, im Priesterseminar und an der Uni. Prüfungen gehören zum Leben des Menschen und das Leben besteht im gewissen Sinne auch aus den Prüfungen.
Im Hinblick auf das sich nähernden Semesterende und bevorstehende Prüfungen, sei es das Rigorosum / Doktorexamen am 24. Juni, sei es das Magisterexamen am 9. Juli oder sogar die furchterregende Sprachprüfung am 19. Juli, um nur einige Beispiele zu nennen, ist es sehr ratsam, sich in den Prüfungsmodus zu versetzen, wohl auch wissend, dass wir stets Gottes Hilfe und Segen bedürfen.
„Wenn die Prüfung beginnt, wenn die Bücher aufgeschlagen werden, schlechte und gute Werke zum Wiegen auf die Waage gebracht werden, was wirst du tun, armer Mensch? Wie wirst du dich verteidigen vor den Professoren, da du nicht imstande bist, alles zu wissen und Wissenschaftsfrüchte vollständig hervorzubringen, darum kommt all dem zuvor, indem du lernst und Gott um Hilfe flehst.“ Wie einige wohl bemerkt haben, waren es zusammengefügte Stichiren der Sonntagsvesper vom Gericht, die ich ein bisschen geändert und angepasst habe. Im Grunde genommen kann man jede irdische Prüfung als Vorgeschmack und Vorbereitung auf die allerletzte Prüfung verstehen, eine Prüfung vor dem gnädigen und gerechten Gott (Mt 25). Denn jede irdische Prüfungsphase kann unsere Sinne schärfen, den Willen stärken und den Verstand zu Gott erheben. Hinter dem Gedankengang der liturgischen Texte in der Sonntagvesper vom Gericht verbirgt sich eine gewisse Strategie und zwar: einerseits der Rat dem bevorstehenden Gericht zuvorzukommen, indem man zu handeln beginnt: weinend eigene Sünden bereut, sich mit Gott versöhnt und gute Taten vollbringt; andererseits aber eine dringende Bitte um Erbarmen Gottes, indem man Heilige, besonders Gottes Mutter Maria als Fürsprecher anfleht. Diese Logik lässt sich auch auf unsere „heiße Phase“ übertragen und kann sehr hilfreich für das erfolgreiche Bestehen jedes Examens werden. Es ist wie ein harmonisches Viergespann: eigene Fähigkeiten mit Fleiß gekoppelt, sowie das Gebet und die Hoffnung auf Gottes Hilfe.
Was wäre also zu empfehlen in den Prüfungsphasen? Was sollte man unternehmen? Welches Handeln ist hier zu raten? Gibt es vielleicht Methoden, gute Tipps für den Erfolg?
Erstens gilt hier der Grundsatz: Man muss wie ein Mönch leben, das heißt innere Einstellung, Demut und Gelassenheit sind sehr gefragt. Wie ein Mönch um das Himmelreich sich kümmert, um dieses Ziel nicht zu verfehlen, so muss der Prüfling alle Prüfungen vor den Augen halten, um diese erfolgreich abzulegen. Im Cherubikon wird immer gesungen: „Lasst uns jede irdische Sorge ablegen“, übertragen auf die „heiße Prüfungsphase“ heißt das nun das Nötigste zu tun, nur auf das Wichtigste sich zu konzentrieren, keine Zeit für unnützes Reden, für Langeweile und Surfen im Internet (in Facebook, in Instagram), nur lebenswichtige E-Mail zu beantworten. Weniger wichtigere Briefe und E-Mails kann man immer noch nach den Prüfungen beantworten.
Zweitens ist es sehr zu empfehlen, den ganzen Prüfungsstoff auf einem Blatt Papier zusammenzufassen. Möglichst kurz, hinweisend, mit einem Schema / Konzept, mit farbigen Markierungen etc. Dieses Blatt muss man sich immer vor Augen halten, besonders während der Prüfung.
Drittens reicht hier nicht nur so ein Blatt aus, sondern man muss mindestens 1-mal den Prüfungsstoff ausgesprochen haben. Denn nicht alles, was im Kopf gespeichert ist, automatisch aus den Lippen hervorgeht. Es ist auch eine Übungssache.
Viertens scheint mir sehr wichtig zu sein, denn aus eigner Erfahrung weiß ich, dass beim Spazierengehen Gedanken sortiert werden und in entsprechende „Gedächtnisschublade“ deponiert werden. So kann man im Gehen z. B. eine Rede halten als ob sie vor einem Professor wäre.
Fünftens müsste man genügend und gut schlafen. Denn auch im Schlaf sortiert sich vieles im Kopf und so werden neue Gedächtnisschubladen mit Wissen gefüllt und man wird in der Prüfung sogar erkennen können, welche „Schublade“ an der Reihe ist. Mittagsschlaf, beliebte siesta ist abzuraten. Man darf dem Mittagsdämon keinen Raum zum Wirken geben, vielleicht ein Espresso kann ein wenig dagegen steuern.
Sechstens sorgt der Sport wie Fußball oder vergleichbare sportliche Leistung für gute Ausgewogenheit im Organismus, um den Kopf frei zu kriegen für das Erlernen neuen Stoffes, so dass sich neue Aufnahme-Schubladen öffnen können.
Siebtens sollte man über den gelernten Stoff mit anderen, z. B. aus dem gleichen Kurs, ins Gespräch kommen und darüber auch diskutieren. Derartige Arbeitskreis dient fast wie das Öl für die Schubladenschienen, die ermöglichen, nötige Schublade bei Bedarf schnell und ohne langes Ziehen zu öffnen und wieder zu schließen.
Diese sieben Säulen eigenen Handelns und eigenen Fleißes können eine Voraussetzung für das gelungene und erfolgreiche Ablegen jeder Prüfung werden und dienen als eine Basis für das Wirken und die Wunder Gottes, die auch nur dann passieren können, wenn wir, Menschen, sich als Mitarbeiter dieser Gnade erweisen. Die Gnade Gottes setzt die menschliche Natur voraus und zur Natur des Menschen gehört eben, soweit es geht, sich vorzubereiten in der Hoffnung auf Gottes Gnade und Hilfe. Das eigene Bemühen muss von Gebet durchdrungen werden, ähnlich wie ein Schwamm, der sich von Wasser durchdringen lässt. Damit das Examen nicht zu Verhör oder zu sich aus der Ruhelage heraustreiben lassen oder zur Untersuchung wird, was das lat. Wort „exāmināre“ bedeutet, sondern harmonisch, ausgewogen verläuft, muss auf gestellte Frage oder Aufgabe immer unser Wissen und Kompetenz als Gegengewicht, auf die Waagschale gelegt werden. Damit zeigt an und bleibt das «Zünglein an der Waage», was übrigens ursprünglich ebenfalls als examen bezeichnet wurde, bestimmt auf unserer Waagschale.
Das sind meine bescheidenen Überlegungen zu diesem Thema, die ich teils aus eigener Erfahrung, teils aus Gesprächen mit euch gewonnen habe.