Wenn wir in den Bergen wandern und durch felsiges Gelände gehen, begegnen uns viele Steine. Wir können leicht über sie stolpern, stürzen und uns sogar verletzen. Steine sind im übertragenen Sinne ständige Begleiter im Leben eines Menschen. Im Alltag treffen wir auf kleinere oder größere Steine. Manchmal stellt ein kleiner, kaum bemerkbarer Stein ein größeres Risiko dar als ein großer, den man schon von weitem sieht. Wir sprechen auch vom „Stein des Anstoßes“, also dem Auslöser oder der Ursache einer Herausforderung.
Einige von euch, liebe Kollegiaten, fragen sich vielleicht, was diese Worte über Steine mit unserem heutigen Thema zu tun haben. Denn gemäß dem Titel soll es heute um die Liebe, die Hochzeit und zukünftige Priesterfrauen gehen. Viele von euch planen, in Zukunft zu heiraten und als verheiratete Priester in der Kirche zu dienen. Dabei kann die Suche nach der richtigen Partnerin zum Stolperstein werden und sogar die persönliche Entwicklung und den Studienerfolg beeinflussen.
Aber wie sieht es vor der Hochzeit aus, wenn die „richtige“ gefunden wurde? Und wie sieht es nach der Hochzeit aus? Wie kann die Liebe lebendig bleiben und sich weiter entfalten? „Alles hat seine Zeit, und jedes Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde“, lesen wir im Buch Kohelet (3,1-15): „Zeit geboren zu werden, Zeit zu lieben, Zeit Steine zu sammeln…“ Eine der vielen Personen in der Bibel, die ständig mit Gott, Familienglück, der Suche nach einer Frau und mit der Auseinandersetzung mit „Steinen“ konfrontiert war, ist der Patriarch Jakob. Aus der biblischen Erzählung über ihn können wir viel lernen und Impulse für unser heutiges Thema gewinnen.
Im Buch Genesis heißt es: „Jakob ging nach Haran. Er kam an einen bestimmten Ort und übernachtete dort […]. Er nahm einen von den Steinen dieses Ortes, legte ihn unter seinen Kopf und schlief dort ein. Da hatte er einen Traum: Siehe, eine Treppe stand auf der Erde, ihre Spitze reichte bis zum Himmel. Und siehe: Auf ihr stiegen Engel Gottes auf und nieder. Und siehe, der HERR stand vor ihm und sprach: Ich bin der HERR, der Gott deines Vaters Abraham und der Gott Isaaks. Das Land, auf dem du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben.“ (Gen 28,11-13)
Es ist eine steinige Geschichte, und der Stein, auf den Jakob seinen Kopf legt, ist ein Symbol für die Last, die er tragen muss. Er hat nämlich seinen Bruder Esau betrogen. Außerdem ist es ein nächtlicher Traum, der in der Dunkelheit stattfindet, eine Stimmung, in der man die Welt und die persönliche Situation eher schwarz als bunt sieht. Jakob flieht nämlich vor seinem Bruder Esau, verlässt seine Heimat und begibt sich auf einen unbekannten Weg, in die Fremde und auf die Suche. Nachdem er aus dem Schlaf erwacht war, nahm er denselben Stein, der seine Ohnmacht und Verlassenheit symbolisierte, und stellte ihn als Denkmal auf. Er goss Öl darauf und nannte den Ort Bethel – Haus Gottes. Zudem setzte er sich ein Ziel und legte ein Gelübde ab: „Wenn Gott mit mir ist, [sagte er], und mich auf diesem Weg […] behütet, wenn er mir Brot zum Essen und Kleidung gibt, wenn ich wohlbehalten in das Haus meines Vaters heimkehre, dann wird der HERR für mich Gott sein und dieser Stein, den ich als Steinmal aufgestellt habe, soll ein Gotteshaus werden.“ (Gen 28,20-22)
Im Grunde genommen stellt Jakob drei Bedingungen an Gott: Jahwe soll ihn behüten, ihm Brot und Kleidung geben und ihn gesund heimkehren lassen, vermutlich nicht allein, sondern mit einer Frau aus seinem eigenen Stamm, gemäß dem Auftrag seines Vaters Isaak. Erst dann wird der HERR für ihn Gott sein. Bevor er Rahel kennenlernt, schließt Jakob einen Bund, eine feste Beziehung mit Gott und erhält von ihm eine neue Heimat: „Das Land, auf dem du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben.“ Eine andere Heimat, von der Jakob erst jetzt erfährt. Die Himmelsleiter und die auf- und absteigenden Engel als Vermittler bekräftigen diesen Bund und Gottes Zusage.
Aus dieser kurzen Erzählung über Jakobs ersten Stein können wir Folgendes lernen: Auch ihr, liebe Kollegiaten, seid in ein fremdes Land gezogen. Auch ihr braucht Brot, Kleidung und ein Dach über dem Kopf und hofft, eines Tages gesund heimzukehren. Unabhängig davon, wo ihr den Stein findet und ihn zum Gotteshaus macht, wird dieser Ort zu eurer neuen Heimat, in der der HERR euer persönlicher Gott wird. Um eine gute Begleiterin für das Leben zu finden, bedarf es einer festen Beziehung zu Gott, All unsere Wünsche und Zukunftsvorstellungen sollen in das Gespräch mit Gott einfließen. Ohne diese Basis, ohne diesen stabilen Stein, ist es nicht möglich voranzuschreiten, zu suchen und zu finden.
Mit Gottes Zuspruch zog Jakob weiter in die Fremde und kam zu einem Anziehungsort für alle Durstigen; er kam zu einem Brunnen und begegnete wieder einem großen Stein, der den Zugang zum Wasser versperrte – ein Stein als Hinweis auf den Stein von Bethel (Gen 28,18-19). Dieser Stein ermöglichte es Jakob schließlich, mit Rahel in Kontakt zu treten. Als Jakob von den dort stehenden Hirten hörte, dass Rahel mit ihren Schafen kam, um ihre Herde zu tränken, drängte er die Hirten, den Stein wegzurollen. Doch sie weigerten sich, was Jakob motivierte, die Initiative zu ergreifen und den Stein selbst zu entfernen, die Herde zu tränken, Rahel zur Begrüßung zu küssen und sich vorzustellen (Gen 29,11). Diese erste Begegnung mit Rahel war erfolgreich, denn Jakob gewann sie lieb, und die sieben Jahre, die er für Laban arbeitete, kamen ihm „wie einige wenige Tage“ vor.
Auch aus diesem Teil von Jakobs Geschichte können Männer des 21. Jahrhunderts einiges lernen. Erstens: Jakob ist schlau genug, dorthin zu gehen, wo man am ehesten Mädchen antreffen kann. Er sucht Orte der Begegnung und geht zum Brunnen, der in der Wüste eine Lebensquelle ist. Für uns bedeutet das die Notwendigkeit aus der eigenen Komfortzone herauszutreten und Orte zu suchen, an denen man Wasser schöpfen und die Frau des Lebens finden kann. Zweitens: Jakob zeigt sich dienlich und entfernt den Absperrstein zum Wasser, fasst dann den Mut, Rahel zu küssen, seine Gefühle zu zeigen und mit ihr ins Gespräch zu kommen. Er nutzt die Zeit, bis die Schafe ihren Durst gestillt haben, und erweist sich als ein fleißiger und eifriger Mann, dem nicht nur die Tiere wichtig sind, sondern auch die Frau, die ihn bei der Arbeit beobachtet. Liebe bedeutet zu dienen und sich auch aufzuopfern. Die Ehe ist ein Ort der Begegnung, des Dienens, der Wasserquelle, aber auch ein Ort, an dem man immer wieder Steine in der Beziehung entfernen muss. Wenn man das Eheleben nicht als Sakrament des gegenseitigen Dienens versteht, sondern als egoistische Selbstentfaltung, ist ein Scheitern unvermeidbar.
Es gibt noch viele weitere Steine in Jakobs Leben, über die zu sprechen sich lohnte, doch das würde den zeitlichen Rahmen unseres heutigen Abends sprengen. Deshalb möchte ich mit einem Psalm abschließen, der sagt: „Wohl dem Mann, der den HERRN fürchtet, der auf seinen Wegen geht! Was deine Hände erarbeitet haben, wirst du genießen; selig bist du – es wird dir gut ergehen. Deine Frau ist wie ein fruchtbarer Weinstock im Innern deines Hauses. Wie Schösslinge von Ölbäumen sind deine Kinder rings um deinen Tisch herum. Siehe, so wird der Mann gesegnet, der den HERRN fürchtet.“ (Ps 128)
Die Gottesfurcht, von der der Psalmist spricht, wird auch im Epheserbrief bei der Trauung im byzantinischen Ritus thematisiert. In der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus sollen sich die Eheleute einander unterordnen und einander lieben wie den eigenen Leib. Wenn dies gelingt, wird auch das manchmal von Steinen versperrte Wasser zu gutem Wein der Freude, zu Zärtlichkeit und wahrer Liebe. Amen.
Zur Betrachtung:
„Das sollen die Männer hören, und das sollen auch die Frauen hören! Die Frauen, damit sie solche Zuneigung zu ihren Männern an den Tag legen und deren Heil nichts vorziehen; die Männer, damit sie solches Wohlwollen für die Frauen haben und alles so tun, als besäßen sie mit ihrer Frau nur eine Seele und als seien sie ein Leib mit ihr. Dann ist es eine wahrhafte Ehe, wenn solche Übereinstimmung zwischen den Eheleuten herrscht, das Band so eng ist und sie so durch Liebe verkettet sind. Denn wie weder der Leib noch die Seele wider sich selbst im Streit sein können, so dürfen Mann und Frau nicht miteinander streiten, sondern sie müssen miteinander geeint sein. Dann können ihnen auch vielfältige Güter zuströmen. Wo solche Eintracht herrscht, da ist alles Gute beisammen. Da gibt es Frieden, da herrscht Liebe und geistliche Fröhlichkeit; da ist kein Krieg, kein Streit, keine Feindschaft und Eifersucht; sondern all das flieht, weil die Eintracht, aus der alles Gute kommt, es vertreibt.“[1]
„Man muß also die Ehe wie ein heiliges Gottesbild von allem rein erhalten, was sie beflecken könnte. Deshalb müssen wir mit dem Herrn vom Schlafe aufwachen und mit Danksagung zum Schlafen gehen, müssen beten, wenn man zur Ruhe sich legt und wann das heilige Licht kommt. In unserem ganzen Leben sollen wir den Herrn zu unserem Zeugen anrufen, die Gottesfurcht als Besitz in unserer Seele tragen und die Sittsamkeit auch sogar in der Haltung unseres Körpers zeigen.“[2] „Die Ehe wird geheiligt, wenn sie dem Logos (Christus) entsprechend vervollkommnet wird und wenn sich die Eheleute Gott unterordnen und ihr Eheleben mit aufrichtigem Herzen in voller Glaubenszuversicht führen, nachdem sie sich in ihrem Herzen von allem Schuldbewusstsein haben reinigen lassen […]. Das Glück einer Ehe darf nicht nach dem Reichtum und nicht nach der Schönheit bemessen werden, sondern nach der Tugend.“[3]
Fragen:
- Jakob und seine Steine: Was sind meine Steine im Leben?
- Liebe und christliche Ehe: Welches Eheleben möchte ich als Priester führen?
[1] Johannes Chrysostomus, Homilien zur Genesis 45, in: Texte der Kirchenväter III, München 1964, 587f.
[2] Klemens von Alexandrien, Teppiche 2,140-146, in: Texte der Kirchenväter III, München 1964, 564.
[3] Klemens von Alexandrien, Teppiche 4,126-129,4, in: Texte der Kirchenväter III, München 1964, 588.