Ehelosigkeit

Liebe Mitbrüder im priesterlichen, diakonalen Dienst, liebe Kollegiaten!

Ο Δ Η Γ Η Τ Η Ρ: Wegweiser für das Geistliche Leben im Collegium Orientale spricht im 10. Punkt bezüglich der Geistlichen Ausbildung Folgendes:

„Jeder Kollegiat bedenkt, dass in der Hausgemeinschaft auch geweihte und erfahrene Priester und Diakone, Zölibatäre und Mönche wohnen. Ihre Anwesenheit ist von großer Bedeutung und soll hochgeschätzt werden als Bereicherung für die ganze Kollegsgemeinschaft. Sie selbst aber mögen sich dessen bewusst sein, dass sie für ihre Mitbrüder Vorbilder im geistlichen Leben und im Beistand sein sollen.“

Weil wir unter uns einige zölibatär lebende Priester bzw. Priesteramtskandidaten haben, ist es angemessen im Rahmen des heutigen Stillen Abend, über das geistliche Leben zölibatärer Priester nachzudenken. Was heißt es, ehelos zu leben? Was ist einem ehelos lebenden Priester wichtig? Gibt es bestimmte Normen und Hilfen, um den Weiheversprechen lebenslang treuzubleiben? Die heutigen Ausführungen sind als Hilfestellung für diejenigen gedacht, die noch vor der Lebensentscheidung stehen, zölibatär oder mit Familie ihren Dienst als Priester zu erfüllen.

Das Priesterdekret des II. Vatikanums sagt uns dazu:

„Der Zölibat ist [obwohl er nicht zum Wesen des Priestertums gehört] in vielfacher Hinsicht dem Priestertum angemessen. Die priesterliche Sendung ist nämlich gänzlich dem Dienst an der neuen Menschheit geweiht, die Christus, der Überwinder des Todes, durch seinen Geist in der Welt erweckt, die ihren Ursprung „nicht aus dem Blut, nicht aus dem Wollen des Fleisches noch aus dem Wollen des Mannes, sondern aus Gott“ (Joh 1,13) hat. Durch die Jungfräulichkeit und die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen werden die Priester in neuer und vorzüglicher Weise Christus geweiht; sie hangen ihm leichter ungeteilten Herzens an, schenken sich freier in ihm und durch ihn dem Dienst für Gott und die Menschen, dienen ungehinderter seinem Reich und dem Werk der Wiedergeburt aus Gott und werden so noch mehr befähigt, die Vaterschaft in Christus tiefer zu verstehen.“ (PO 16)

Liebe Kollegiaten! Einige von Ihnen haben sich vielleicht gefragt, ob der Spiritual heute Abend das ganze II. Vatikanum zitieren will: Nein, das werde ich nicht tun;  das würde  unseren zeitlichen Rahmen sprengen. Einige stellen sich vielleicht die Frage, was will er, der  selbst nicht zölibatär lebt, uns über dies ehelose Lebensform sagen: Auch das ist mir bewusst, deshalb habe ich einige Priester unterschiedlichen Alters und aus unterschiedlichen Ländern gefragt, und ihnen, wie anfangs erwähnt, gleiche Fragen gestellt. Die Antworten darauf bzw. deren Erfahrungen und Zeugnisse möchte ich hier sehr gerne präsentieren:


Priester A, vor 14. Jahren geweiht

Es ist sehr hilfreich auf die Erfahrungen und Erzählungen älterer Priester zurückzugreifen, insbesondere auf solche, die im Untergrund  gewirkt haben. Die wichtigste Empfehlung für einen jungen Priester ist wohl, er möge an jedem Tag die Liturgie feiern – unabhängig davon, ob es Vorgaben oder Pflichten dazu  gibt.

Ein weiterer wichtiger Punkt die Marienfrömmigkeit und das tägliche Gebet zur Gottesgebärerin, beispielsweise das Rosenkranzgebet. Mehrmals in der Woche sollte auch vor dem Allerheiligsten gebetet werden. Neben dem Breviergebet und der Liturgie kann es jedoch vorkommen, dass  man Freizeit hat, in der  nichts Konkretes anliegt. In solchen Momenten kommen oft Gedanken hoch, die das Gefühl  vermitteln, allein zu sein oder nicht gebraucht zu werden. Dieses Gefühl der Einsamkeit und die manchmal damit verbundene Niedergeschlagenheit  gehören, vermutlich, zu den größten Herausforderungen für einen zölibatär lebenden Priester. Betrachten wir das Pfarrleben: Die Gläubigen haben ihre eigenen Familien und Sorgen, was in dem Priester oft auch das Gefühl der Isolation hervorrufen kann. Freie Minuten  kann man nutzen, um vor dem Allerheiligsten zu verweilen, geistliche Literatur zu lesen oder zu meditieren. Persönliche Hilfe spenden stets auch der Spiritual oder Beichtvater, mit dem frei über das eigene geistliche Leben gesprochen werden kann. Ebenso wichtig sind Freunde,  zum hilfreichen Austausch von Gedanken und zum gemeinsamen  Gebet, ohne jedoch eine Abhängigkeit zu schaffen. Menschen dürfen niemals für Zwecke instrumentalisiert werden oder ein Werkzeug für das EGO des Priesters sein.

Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Betrachtung der Lebensgeschichten von Heiligen. Sie geben wertvolle Impulse für das eigene Leben, denn das zölibatäre Leben ist ein Opfer mit all seinen Herausforderungen – insbesondere in Bezug auf die Reinheit des Herzens und die Keuschheit. Es bedarf einer tiefen inneren Überzeugung, um sich für diese Lebensform zu entscheiden. Sehr wichtig sind auch das Studium und das ständige Interesse an der Theologie. Es geht nicht nur darum, sich auf Predigten vorzubereiten, sondern man muss sich kontinuierlich weiterbilden. Dies kann durch nichts ersetzt werden, weder durch das Anschauen von Filmen noch durch Surfen im Internet.

Ein letzter Punkt, der besonders wichtig ist und den ein erfahrener Dominikanerpater empfohlen hat, ist die lebenslange Beschäftigung mit den Werken und dem Leben eines Kirchenvaters oder einer geistlichen Persönlichkeit. Diese Person sollte dem Priester als Vorbild für das eigene geistliche Leben dienen.  Das kann beispielsweise Papst Benedikt XVI. sein, dessen Werke man immer wieder liest und im Laufe der Zeit verinnerlicht.


Priester B, vor 7. Jahren geweiht

Der Zölibat – Ein Geschenk Gottes
Der Zölibat ist ein „Schatz in zerbrechlichen Gefäßen“ (2 Kor 4,7), der nicht durch eigene Leistung, sondern allein durch Gottes Gnade bewahrt wird.

  • Das Priestertum als Berufung: Gott hat mich berufen und schenkt mir die Kraft, den Zölibat treu zu leben.

Praktische Grundlagen

  1. Treue im geistlichen Leben:
    • Die tägliche Messfeier ist für mich unverzichtbar.
    • Ich widme mich der Bibellektüre, dem persönlichen Gebet und der Hingabe an Maria, die Mutter der Priester, sowie an den hl. Josef, den Beschützer der Heiligen Familie.
    • In jeder Liturgie bete ich für meine eigene Keuschheit und für die Heiligkeit meiner Mitbrüder und -schwestern.
    • Jeden Tag danke ich Gott dafür, dass er mich befähigt hat, vertrauenswürdig zu bleiben.
  2. Die Bedeutung der Beichte:
    • Regelmäßige Beichte ist für mich die stärkste Stütze auf dem Weg zu einem heiligen Leben.
  3. Gemeinschaft (Koinonia):
    • Ich finde Halt im Austausch und in der Unterstützung durch Mitbrüder, Bischöfe und andere Priester.
  4. Kontakt zur Familie:
    • Der regelmäßige Kontakt zu meinen Eltern ist mir wichtig, denn sie sind eine wertvolle Quelle der Nähe und des Rückhalts.

Praktische Schritte

  1. Klare Grenzen in Beziehungen:
    • Ich vermeide enge oder problematische Bindungen zum anderen Geschlecht, die Missverständnisse oder Unruhe verursachen könnten.
  2. Selbstprüfung:
    • Ich reflektiere regelmäßig Situationen, die der Kirche, meinem Bischof, meinen Mitbrüdern, meiner Gemeinde oder meiner Familie schaden könnten, und achte darauf, solche zu meiden.
  3. Das Zeugnis des Zölibats:
    • Ich pflege gesunde und ausgewogene Beziehungen zu anderen, einschließlich Frauen, in einer Weise, die Nähe und Distanz im richtigen Maß wahrt.
  4. Kreativität und Freizeit:
    • Durch Hobbys und sinnvolle Freizeitaktivitäten sorge ich für ein ausgewogenes und erfüllendes Leben.

Priester X, vor 60. Jahren geweiht und Priester Y, vor 33. Jahren geweiht

  1. Der Zölibat als Zeichen der Hingabe und Liebe: Der katholische Zölibat wird als eine Lebensform verstanden, die eine tiefere Hingabe an Gott und die Gemeinschaft ermöglicht. Diese Überzeugung wird durch die Worte und Schriften von Johannes Paul II. und Papst Benedikt XVI. eindrucksvoll untermauert.
  2. Vollständige Hingabe an Gott: Johannes Paul II. betonte in seiner Enzyklika Pastores Dabo Vobis (1992), dass der Zölibat „ein Zeichen ist, das die totale und exklusive Hingabe des Priesters an Christus und seine Kirche zum Ausdruck bringt.“ Für ihn war der Zölibat nicht nur ein Verzicht, sondern ein Ausdruck einer tieferen Berufung: „Die priesterliche Keuschheit ist ein Zeichen der Freiheit, sich ganz und gar dem Reich Gottes zu weihen.“
  3. Zeichen des Vertrauens in Gott: Papst Benedikt XVI. erklärte in einem Brief an die Priester (2006): „Der Zölibat ist ein Ausdruck des Glaubens, dass Gott das wahre Zentrum unseres Lebens ist.“ Für ihn war der Zölibat eine mutige Antwort auf den Ruf Gottes, die zeigt, dass ein Leben in totaler Abhängigkeit von Gottes Gnade und Liebe möglich ist.
  4. Freiheit für den Dienst: Johannes Paul II. hob hervor, dass der Zölibat die Freiheit gibt, sich „mit ungeteiltem Herzen“ den Menschen zu widmen. In seiner Apostolischen Exhortation Familiaris Consortio betonte er, dass diese Lebensform es ermöglicht, „sich ganz dem Dienst am Volk Gottes und der Verkündigung des Evangeliums zu widmen“.
  5. Zeugnis für die Ewigkeit: Papst Benedikt XVI. betonte in seiner Rede auf dem Internationalen Priesterkongress (2010), dass der Zölibat ein „prophetisches Zeichen“ für das kommende Reich Gottes sei. Er sagte: „Das zölibatäre Leben weist über das Irdische hinaus und macht deutlich, dass das Leben letztlich in Gott vollendet wird.“
  6. Einheit und Solidarität: Johannes Paul II. sah im Zölibat eine Möglichkeit, sich mit allen Menschen zu identifizieren, besonders mit denen, die in Einsamkeit leben oder keine familiäre Geborgenheit erfahren. „Der Priester ist gerufen, Vater und Bruder für alle zu sein,“ betonte er.
  7. Tradition und Inspiration: In seinen Überlegungen zur Nachfolge Jesu schrieb Benedikt XVI., dass der Zölibat „ein Geschenk ist, das die Kirche bewahrt, weil es den Priester in besonderer Weise mit dem Leben und der Mission Christi verbindet.“ Er sah darin nicht nur eine Tradition, sondern ein lebendiges Zeugnis für die Kraft des Glaubens.
  8. Schlussbemerkung: Die Worte von Johannes Paul II. und Papst Benedikt XVI. zeigen, dass der Zölibat nicht als Verzicht, sondern als Geschenk verstanden wird. Es ist eine Lebensform, die die innere Freiheit und die geistliche Fruchtbarkeit der Priester betont. Durch den Zölibat wird die Hingabe an Christus und die Kirche sichtbar, und er bleibt ein wertvolles Zeichen der Hoffnung und Liebe für die Welt.

Soweit die frommen Aspekte des Zölibates.

Zölibat wird von den meisten uns bekannten Priestern und das sind einige, als Pflicht bzw. Zwangszölibat verstanden. Es gibt verschiedene Berufungen, die zum Priester und die zum Zölibat. Die Priesterberufung impliziert jedoch nicht automatisch die Berufung zum Zölibat. Viele von den römischen Klerikern haben deshalb den Zölibat als notwendiges ÜBEL akzeptiert, um Priester werden zu können, da sie sich zum Priestertum berufen fühlten. In der Lebensrealität, abseits von theologisch überhöhten Überlegungen, haben sich diese Entscheidungen, den Zölibat zu akzeptieren, jedoch als fatal erwiesen. Als nicht einhaltbar. Eine große Zahl von Weltpriestern hält den Zölibat nicht. Das sind übrigens keine Vermutungen sondern persönliche Erfahrungen mit Kollegen. Ich erwähne da nur mal den stereotypen Vergleich des Pfarrers mit seiner Haushälterin… und viele andere Varianten. Dieses „öffentliche“ nicht Einhalten des Zölibates hat natürlich erhebliche Auswirkungen auf die Menschen unserer Gesellschaft. Sowohl für die Gläubigen als auch für die Ungläubigen. Die Akzeptanz sinkt gegen Null. Davon wollen natürlich die verantwortlichen Bischöfe, Kardinäle, Papst, nichts wissen und verdrängen Lebenswirklichkeiten einfach. Ja, sie verbieten zum Teil sogar eine Diskussion. Es werden nur immer strengere Auswahlkriterien angepriesen und auch angewendet. Das führt meines Erachtens aber nur dazu, dass Unehrlichkeit und fehlender offener Austausch die Tagesordnung sind. Wenige Alumnen sprechen noch offen über ihre Sexualität oder sonstige Schwierigkeiten, da ja die große reale Gefahr besteht aussortiert zu werden. Die Folgen sind bekannt…Besonders gravierend sind die Folgen, für etliche Priester, im Alter. Ich habe viele sehr einsame ältere Priester erlebt und den damit verbundenen Leidensdruck.

Positiv anzumerken ist:

Durch den Zölibat haben die Priester einfach mehr Zeit sich der Arbeit, im besten Fall den Menschen, zuzuwenden. Zeit für die Anliegen der Menschen und ein Miteinander wird jedoch auch immer weniger durch die riesigen Seelsorgeeinheiten, die ja zumindest bei uns, noch größer werden. Ein letzter Punkt: Wir sind im Laufe der letzten Jahre, durch unsere Arbeit, mit vielen Menschen in Berührung gekommen. Darunter auch viele Ehepaare. Wenn man so manche Ehen genauer anschaut, deren Schwierigkeiten und Probleme im Miteinander, stellen wir eine z.T. große Einsamkeit der Ehepartner fest. Viele leben in ihrem eigenen Universum mit wenigen Berührungen des vorgeblich geliebten Partners. Da konnten wir an manchen Tagen unseres Dienstes sagen, lieber alleine als so eine Ehe…


    Priester C, vor 5. Jahren geweiht

    Das Priestertum im Zölibat ist meiner Meinung nach ein Leben in der Umarmung Gottes. Weil ich allein bin, glaube ich, dass Gott, der mich berufen hat, die Verantwortung hat, mich zu begleiten und zu trösten. Das ist ein Gefühl, das ich immer in mir trage und in meinem Leben spüre. Ich habe viel Zeit mit Gott zu verbringen, ein geistliches Leben zu führen, mit ungeteiltem Herzen meinen Herrn zu lieben und ihm zu folgen. Es ist ein Leben in Freiheit, aber nicht in der Art und Weise, wie es die Welt versteht, sondern eine verantwortliche Freiheit, verbunden mit einem disziplinierten Leben. Niemand außer Gott weiß, was ich in meinem Leben tue, was ich sehe, was ich lese, mit wem ich spreche. Dafür bin ich nur Gott verantwortlich, der mich wirklich kennt oder begleitet. Die Schönheit des zölibatären Lebens habe ich hierzulande bei meinen Aushilfen in den Pfarreien noch tiefer empfunden. Es ist wirklich ein Leben in der Gnade Gottes. Aber manchmal gibt es einen großen Kampf mit unseren körperlichen Bedürfnissen. Manchmal gewinne ich, aber oft verliere ich. Aber auf meinen Wegen spüre ich immer die Gnade Gottes. Das lässt mich weitergehen.

    Mögen diese persönlichen Zeugnisse uns alle ermutigen, unserer Berufung treu zu bleiben und so zu leben, wie Gottes Ruf uns getroffen hat (1 Kor 7,17), indem wir voneinander lernen und einander bereichern. Amen.