Liebe Mitbrüder im diakonalen, priesterlichen Dienst, liebe Kollegiaten!
Zu Beginn des Sommersemesters 2025 wollen wir uns mit zentralen Themen im Leben eines Priesters auseinandersetzen – mit dem Gebet, dem Schlaf und den Gemeinschaftsgebeten. Was mir persönlich noch wichtiger geworden ist, ist unsere 17-tägige Studienreise nach Ägypten. Für die Lektüre unterwegs wählte ich das Buch des hl. Johannes Klimakos: Die Himmelsleiter. Nicht nur, weil ich dazu einen Vortrag halten sollte, sondern auch, weil ich mir schon lange vorgenommen hatte, dieses geistliche Werk nach Jahren endlich wieder zur Hand zu nehmen – und so ausdieser geistlichen Quelle zu schöpfen. Oft wird behauptet, dieses Werk sei überholt, unzeitgemäß oder nur für Mönche geschrieben. Natürlich lässt sich nicht alles wortwörtlich in unseren Alltag übertragen – und doch enthält diese Schrift wertvolle Hinweise für alle, die geistlich leben wollen. Johannes Klimakos (ca. 575–650) war ein bedeutender Mönch und geistlicher Schriftsteller. In einer Zeit großer Umbrüche im Oströmischen Reich zog er sich als junger Mann ins Kloster auf den Sinai zurück und lebte als Einsiedler. Nach 40 Jahren wurde er Abt des berühmten Sinai-Klosters. Die Himmelsleiter schrieb er auf eine dringliche Bitte des Abtes des benachbarten Klosters von Raithu. Das Werk beschreibt den monastischen Weg – von der Entsagung bis hin zur Vollkommenheit in der Liebe. Dieser geistliche Pfad ist in 30 Stufen gegliedert, die in drei große Etappen fallen, wobei jede Stufe auf der vorhergehenden aufbaut:
I. Bruch mit der Welt: Dieser ist kein Selbstzweck, sondern führt zur geistlichen Kindheit im Sinne des Evangeliums. Entscheidend ist die Rückkehr zur Reinheit des Herzens, wie Jesus sie lehrt. Klimakos sieht Unschuld, Fasten und Keuschheit als das Fundament eines geistlichen Neubeginns.
II. Geistlicher Kampf gegen die Leidenschaften: „Alle, die den guten Kampf des Glaubens kämpfen (vgl. 1 Tim 6,12), der hart und schwierig ist, […] sollen wissen, dass sie gekommen sind, um sich in ein Feuer zu werfen, wenn sie es wirklich wünschen, damit das immaterielle Feuer in ihnen wohne.“ (1,18)
III. Christliche Vollkommenheit: Sie wird in den letzten sieben Stufen beschrieben. Die Einsiedler (Hesychasten), die den inneren Frieden – die hesychía – gefunden haben, können diese erreichen. Diese Ruhe öffnet den Weg zum Gebet, das in zwei Formen existiert: dem körperlichen Gebet und dem „Gebet des Herzens“, auch bekannt als Jesusgebet.

Leider habe ich es nicht geschafft, das ganze Buch während der Reise zu lesen – aber einige Kapitel habe ich in Hinblick auf mein eigenes Leben besser verstanden. Gerne würde ich mit Ihnen über die Inhalte aller 30 Stufen sprechen – aber das würde den Rahmen sprengen, und Sie würden mich vermutlich zumindest in Gedanken wieder in die ägyptische Wüste schicken. Das anfangs erwähnte Thema aus dem 18. Kapitel der Himmelsleiter lohnt sich jedoch ein wenig auszuführen. Der heilige Johannes beschreibt den Schlaf als natürlichen Bestandteil unseres Lebens, als Bild des kommenden Todes und als Ruhe der Sinne. Wer sonst, wenn nicht die Kranken-Versicherungskasse, die von Ihrem Stipendium profitiert, sorgt sich um Ihre Gesundheit und erinnert Sie deshalb mit den folgenden Worten: „Schlaf ist kein Luxus, sondern eine absolute Notwendigkeit. Der Körper braucht ihn als Ruhepause. Im Schlaf läuft der Körper auf Sparflamme, Herzschlag und Blutdruck sinken. Gleichzeitig werden Stoffwechselprozesse wie unser Zucker- und Fettstoffwechsel optimiert, in den Zellen laufen Reparaturprozesse ab, und das Immunsystem wird gestärkt.“[1]
Doch wo liegt die goldene Mitte des gesunden Schlafs? Denn zu viel wie zu wenig Schlaf ist gleichermaßen ungesund. Johannes Klimakos vergleicht übermäßiges Schlafen mit übermäßigem Trinken – beides wird zur Gewohnheit. Wer sich vormittags regelmäßig wieder ins Bett legt, riskiert, seinen Alltag durcheinanderzubringen. Anstrengung und Disziplin sind nötig, so Klimakos, um eine schlechte Gewohnheit zu überwinden. Besonders anschaulich wird es, wenn er schreibt: Sobald die geistliche Posaune – also das morgendliche Wecksignal – ertönt und sich die Brüder zum Gebet versammeln, wachen auch unsere unsichtbaren Feinde auf. Sie schleichen sich ans Bett und flüstern: „Bleib noch ein wenig im Bett, bis die einleitenden Hymnen vorbei sind, dann kannst du ja in die Kirche gehen.“ Unsere heutige „geistliche Posaune“ ist meist ein Smartphone-Wecker – unser ständiger Begleiter und Helfer, aber leider auch eine willkommene Ausrede für die Schlummertaste. Es braucht Überwindung, sich aus dem Bett zu erheben und mit Freude in den Tag zu starten. Ein Kreuzzeichen, ein Lächeln oder ein Stoßgebet können dabei helfen.
Auch in der Gemeinschaft ist das nicht immer leicht, so der. hl. Johannes Klimakos. Einige Mönche bleiben absichtlich im Bett, bis die ersten Hymnen abgeschlossen waren, um dann (vielleicht während der Prozession unauffällig) in die Kirche zu schleichen – so, als wären sie von Anfang an da gewesen. Andere wiederum schlafen in der Kirche ein. Manche lassen sich von Hungergefühlen oder Gesprächen ablenken, andere versinken in unzüchtige Gedanken oder lehnen sich an die Wand, als ob sie erschöpft wären. Manchmal fallen Sie auch durch vielfaches Gähnen auf. Einige von ihnen verursachen während des Gebetes oft Gelächter, um damit Gott zum Zorn zu bewegen. Manche beeilen sich beim Vorlesen aus reiner Oberflächlichkeit, andere singen übertrieben langsam, um sich selbst zu gefallen. Wieder andere bewegen beim Gebet die Lippen gar nicht – ihr Mund ist verschlossen und schwer zu öffnen (18,3).
Wer aber mit dem Herzen beim Gebet bleibt und vor Gott selbst zu stehen glaubt, wird zu einer unerschütterlichen Säule, ohne von jemandem verspottet zu werden. Es ist in der Gemeinschaft allen möglich, zusammen zu beten. Das einsame Gebet dagegen ist nur die Sache sehr weniger. Bringst du Lobpreisungen in Gemeinschaft mit vielen dar, wirst du nicht gleichzeitig geistig beten können. Als Beschäftigung deines Geistes sollte dir die Betrachtung der gesungenen Worte dienen oder ein festgelegtes Gebet, solange der nächste Vers gesungen wird. Es geziemt sich nicht, während des Gebetes eine andere Beschäftigung zu suchen oder eine andere Tätigkeit durchzuführen (18,5f.). Abschließend sagt hl. Johannes ein weises Wort: „Im Kamin wird das Gold geprüft, im Gebet aber der Eifer und die Liebe…“ (18,7).
Wie zur Ausrüstung eines Soldaten Gegenstände gehören, mit denen er kämpfen kann, so gehört das Gebet zur geistlichen Ausrüstung eines Christen und noch mehr eines Priesters. Das Gebet ist eine „Mauer des Glaubens“.
Deshalb fragt der Bischof bei der lateinischen Diakonenweihe, bevor er die Hände auflegt, ob die Kandidaten bereit sind, Männer des Gebetes zu sein. Um ein Mann des Gebetes zu sein, muss man das Gebet üben. Deshalb sollte sich jeder fragen, gerade jetzt zu Beginn des Semesters: Bete ich privat? Welche Rolle spielt das Gebet in meinem Leben? Vielleicht beabsichtige ich immer wieder im Gebet zu verweilen, aber plötzlich kommt etwas dazwischen, z. B.: ein sehr wichtiges Telefonat, ein Treffen mit jemandem, Surfen im Internet oder virtuelle Spiele stehlen mir die meiste Freizeit; oder keine Zeit, denn ich bin sowieso überfordert im Studium oder mit der Sprache. Tausende Gründe und tausende Ausreden…
Das Gebet ist der Spiegel für die Priester und für jeden Christen. Das Gebet ist online mit Gott zu sein. Das persönliche Gebet ist Teil des Lebensstils eines jeden. Amen.
[1] https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/schlaf/warum-schlaf-wichtig-fuer-koerper-und-psyche-ist/