Ein Mann ging eines Morgens zur Bank um zu schauen, ob seine staatliche Unterstützung schon eingetroffen war. Als er am Geldautomaten den Kontostand prüfte, traute er seinen Augen nicht: 86.400 EUR Guthaben! Erschrocken und ein wenig ängstlich sah er sich um, ob irgendjemand diese Zahl gesehen hatte. Dann ging er sofort zum Schalter und ließ sich die gesamte Summe auszahlen. Er hatte viele Träume und Wünsche, die sich lange unerfüllt aufgestaut hatten: Ein schnelles Auto, ein paar neue coole Klamotten, und am Abend war das Geld komplett ausgegeben.
Am nächsten Morgen ging er wieder zur Bank, um zu schauen, ob nun endlich seine staatliche Unterstützung angekommen wäre. Am Geldautomaten staunte er nicht schlecht: durch eine anonyme Überweisung hatte er wieder 86.400 EUR erhalten. Und wieder hob er da Geld ab und bis zum Abend war alles ausgegeben…
Am dritten Tag ließ er das Geld auf dem Konto, um für ein Haus zu sparen. Und als er am vierten Tag wieder in die Bank kam, erwartete er, nun das doppelte, also 172.800 EUR auf dem Konto zu haben – doch es waren nur die 86.400 EUR da…
Wohin will er denn, fragt sich einer oder anderer? Was will der Spiritual damit sagen? So was gibt es nicht. Doch hat vielleicht ein oder anderer unter Euch schon den Kern der Geschichte erkannt, was diese 86.400 zu bedeuten hat.
Gott schenkt jedem von uns tagtäglich nicht 86.400 EUR, aber 86.400 Sekunden an Lebenszeit. Diese Zeit ist eigentlich das kostbarste, was wir haben! Denn wir können sie nicht aufsparen für spätere Zeiten (so wie Geld). Jeden Tag haben wir exakt 86.400 Sekunden auf unserem Zeitkonto, um sie zu investieren, um mit der Zeit zu erwirtschaften.
Die spannende Frage ist nun, was machen wir mit diesem Zeitguthaben? Nehmen wir unsere Realität im COr unter die Lupe. Ca. 36.000 (das sind sieben Stunden) geben wir z. B für den Schlaf aus, ca. 6.000 (das ist eineinhalb Stunde) für Mahlzeiten, aber es bleibt immer noch über 40.000. Ich würde sagen, den größten Teil davon investieren wir in die Arbeit, unabhängig davon, ob es ein Studium ist oder eine andere Tätigkeit. Warum denn eigentlich? Nicht nur, um das nötigste zum Leben zu haben, sondern, um mit eigenem Tun dienlich zu sein, in der Welt, in der Gesellschaft, in der Kirche oder in der Familie.
Liebe Kollegiaten! Nehmen wir an, es wären tatsächlich keine 40.000 Sekunden, sondern 40.000 Euro auf dem Konto. Wie würde ich dann damit umgehen? Man will doch am sinnvollsten und verantwortlich damit umgehen, oder? Man will was Schönes machen, man will für das Gewünschte alles ausgeben. Viele Menschen, auch die, die vielleicht wenig mit Gott am Hut haben, würden sofort laut und voll Freude schreien: „Mein Gott, 40.000“? Super! Cool! Was mache ich damit? Eine Frage, die sich auch die Diener gestellt haben in der Gleichnis vom anvertrauten Geld (vgl. Lk 19,11-27). Was mache ich damit: entweder sinnvoll und verantwortlich zu investieren oder einfach aus Faulheit, Langeweile oder auch Angst das Gut in die Erde zu vergraben. Keiner von uns würde 40.000 Euro in die Erde verstecken, aber wenn es 40.000 Sekunden von Gott geschenkter Zeit angeht, dann —- vielleicht…. Die 86.400 werden jeden Tag, solange wir leben, auf unser Zeitkonto gutgeschrieben, jeden Tag von Neuem wird uns diese Summe von Gott, unserem Gönner, umsonst geschenkt.
Zu den Grundsteinen des geistlichen Lebens oder der geistlichen Lebensordnung gehört der geistliche Umgang mit der Zeit, was für einen Seminaristen, Diakon, Priester, Ehefrau und Familienvater von großer Bedeutung ist. Denn nur wenige Vollzüge im Leben geben so viel Auskunft über die Grundentscheidungen unseres Lebens wie gerade unser Umgang mit der Zeit und die Prioritäten, die wir dabei setzen. Eine Aufgabe ist es im Leben zu unterscheiden zwischen sehr wichtigen, wichtigen und unwichtigen Dingen sowie zwischen den sehr dringenden, dringenden und gar nicht dringenden Dingen.
Wer mit seiner geschenkten Zeit nichts anfangen kann, wird er diese Zeit, wie die Jugendliche sagen, totschlagen, vertreiben, absitzen. Wenn die Zeit uns zum Segen wird, dann wird sie als heilig verstanden und mit dem etwas Heiligen will man ja achtungsvoll und mit Ehrfurcht umgehen. „Nimm dir Zeit und nicht das Leben!“ Diese Äußerung, meist eher leicht dahingesprochen, hat einen tieferen Sinn. Wer sich keine Zeit nimmt, steht in der Gefahr, sich das Leben zu nehmen. Sich Zeit zu gönnen, zeigt von der Weite des Herzen, von seiner Großzügigkeit und einer wohlwollenden Lebensfreude. Ohne Lebensfreude, auch an den kleinsten Alltagssachen, wird das größte Geschenk, unser Leben verkannt, denn jeder von uns hat nur diese eine Lebenszeit. Jesus wollte aber, dass wir das Leben in Fülle haben, anderes gesagt, Jesus will, dass wir Freude am Leben haben und dankbar für dieses Leben sind. Epheserbrief (5,16) sagt uns „Kauft die Zeit aus.“ Das heißt gebraucht sie bestmöglich, gebt sorgfältig darauf acht, verhaltet euch klug, lasst nicht an der nötigen Einsicht fehlen! Das sind deutliche Worte vom hl. Apostel Paulus.
Liebe Kollegiaten! In aller Munde klingt heutzutage das Wort „Zeitmanagement“? Es gibt sogar Agenturen, die die Menschen beraten, wie man aus den 86.400 Sekunden am Tag das Beste macht, unter anderem, um Stress in der Arbeit und im Studium zu vermeiden oder zu minimieren. So z. B. wird von Fachleuten folgendes gesagt: Anhaltender Stress kann dafür sorgen, dass man psychische aber auch physische Probleme bekommt. Damit gutes Zeitmanagement klappt, braucht jeder einen Ausgleich. Manchmal sucht der Mensch nach diesem Ausgleich an einem falschen Ort, so dass man anstatt des Ausgleichs und der Erholung eine doppelte Portion an Stress, Ärger und Unzufriedenheit als Bonus zugeschoben kriegt. Vor diesem Hintergrund ist heute jede und jeder eingeladen, sich zu fragen:
Wofür gebe ich das meiste „Geld“ aus meinem Zeitkonto? Finde ich unter diesen 86.400 ein paar tausend für mein geistliches Leben? Oder sind das nur ein paar Cent, die ich gerne dafür ausgebe? Und schließlich die Frage nach „wozu“ und „warum“ will ich meine Zeit investieren? „Was nichts kostet, ist nichts wert“. Wenn mir die lebendige Beziehung zu Gott wert ist, dann werde ich nicht müde, in diese Beziehung meine Zeit zu investieren, dann gebe ich dafür nicht nur ein paar Cent, sondern tausende davon. Was nichts kostet, ist nichts wert!!! Amen.