Wenn wir uns ein neues Gerät, sei es ein PC, ein Kühlschrank oder ein Handy, kaufen, lesen wir immer die sogenannte Gebrauchsanweisung, eine Sammlung von Informationen zum sicheren Umgang mit Produkt, um dieses möglich lange bestimmungsgemäß zu gebrauchen. Folgt man den Anweisungen bzw. den vorgeschriebenen Regeln nicht, geht jedes Gerät mit hoher Wahrscheinlichkeit schnell kaputt, es ist nicht mehr zu gebrauchen oder zu reparieren und ist letztendlich zu entsorgen: ein unüberlegtes und gebrauchswidriges Handeln sind die Gründe dafür.
Mit diesem banalen Beispiel möchte ich auf etwas anderes hinweisen und überleiten auf die geistliche Ebene mit einer Fragestellung, ob es im geistlichen Leben eines Priesters, eines Seminaristen womöglich auch bestimmte „Gebrauchsanweisungen“ oder Regeln von Bedeutung wären. Im alltäglichen Leben bedienen wir uns einer »Gebrauchsanweisung«, um in rechter Weise mit den Dingen unseres Alltags umgehen zu können. Etwas Ähnliches gibt es auch im Leben mit Gott. Doch wie bei einer »Gebrauchsanweisung« ist auch die »Gebetsregel« noch nicht der Vollzug selber, wohl aber eine wichtige Voraussetzung und Hilfe dafür. Entscheidend für die Gebetsregel ist die Regelmäßigkeit, mit der die geistlichen Übungen zu festgesetzten Zeiten vollzogen werden. Dadurch wird eine geistliche Disziplin eingeübt, was einem nicht immer leicht sein muss.
Was kann also zu einem geistlichen Disziplinvollzug gehören? Dazu gehören mindestens fünf wichtige Grundpfeiler, quasi „Gebrauchsanweisungen“, damit unser „inneres Gerät“ nicht zugrunde geht:
- Gebet sowohl in einer Gemeinschaft wie z. B. Stundengebet als auch ein persönliches Gebet z. B. Jesus-Gebet.
- Hl. Liturgie: regelmäßige Teilnahme am Versöhnungssakrament und häufiger Kommunionempfang
- geistliches Lesen der Hl. Schrift
- das Studium der Kirchenväter
- sowie bestimmte Ikonen (mit Reliquien) in der eigenen Gebetsecke
Unseren Blick möchte ich heute lenken auf eine wichtige Rolle und Bedeutung des persönlichen Gebets, genauer gesagt auf die Rolle und Bedeutung des Jesusgebets.
Kein Christ wird wohl der Überzeugung sein, dass das Gebet nur ein äußerlicher, pflichtgemäß verrichteter Vollzug ist, in dem Gott bestimmte Dinge mitgeteilt und entgegengehalten werden. Jeder weiß: Gebet ist mehr: mehr als Konversation und Plauderei, mehr als ein simples Gespräch zwischen Gott und der Seele und nie wird es möglich sein, sich aus dem »Jammertal« dieser Erde »herauszubeten«; denn die Wirklichkeit dieser Erde und des menschlichen Lebens ist nicht so schlecht, dass sie sich nicht dennoch ein Ort der Begegnung mit Gott erweisen kann.
Die bekannteste Form vom Jesusgebet ist:
„Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme Dich meiner!“
Wie erstand überhaupt diese Gebetspraxis?
Die frühchristliche Praxis der Stoßgebete in den ersten Gemeinden und unter ägyptischen Mönchen entsprach noch nicht dem heute bekannten Jesusgebet und für die Wüstenväter des 4. und 5. Jahrhunderts hat die Anrufung des Namens Jesu kaum eine größere Bedeutung gespielt. Erst im 6. Jh. erfreut sich in Ägypten diese Praxis großer Beliebtheit, indem sie auf Grund der verbreiteten Jesusfrömmigkeit einen besonderen Wert auf die innere Stille des Herzens legt. Nicht von ungefähr wird auch heute Jesusgebet als Ruhegebet oder Herzensgebet bezeichnet. Etwa im 9./10. Jh. verschwindet in Ägypten die Praxis vom Jesusgebet, bis sie im 12. Jh. von Mönchen auf dem Berg Athos wiederentdeckt wurde und besonders durch Gregor Palamas (†1359) und seine Schule der mystischen Theologie, die des Hesychasmus, ihre zweite Blütezeit erlebt hatte. Vom Athos her verbreitete sich das Herzensgebet sehr rasch unter den Slaven, insbesondere durch Starez Nil Sorskij (1433-1508); 16 Jh. gilt also als Zeit der Blüte in den heutigen Ländern wie Ukraine, Belarus, Russland. Die größere Verbreitung des Herzensgebets fand jedoch durch den Starez Paissij Welickowski im 18./19. Jh., der die griechische „Philokalie – Tugendliebe“ auf Russisch im Jahre 1793 veröffentlichen ließ, mit dem Titel „Dobrotoljubie (Liebe zur Tugendschönheit). Heutzutage ist jeder Christ auch wir alle dazu eingeladen, diese altehrwürdige Gebetspraxis für sich zu entdecken und zu praktizieren. Amen.