Mit Abraham im Glauben wachsen: Berufung Abrahams

„Der Herr sprach zu Abram: Geh aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde. Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein. Ich will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den will ich verfluchen. Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen. Da ging Abram hin, wie der Herr ihm gesagt hatte, und mit ihm ging auch Lot. Abram war fünfundsiebzig Jahre alt, als er aus Haran fortzog. Abram nahm seine Frau Sarai mit, seinen Neffen Lot und alle ihre Habe, die sie erworben hatten, und die Knechte und Mägde, die sie in Haran gewonnen hatten. Sie wanderten nach Kanaan aus und kamen dort an“ (Gen 12,1-5).

Sehr oft lesen wir in der Bibel, dass Gott sich an Menschen wendet, um ihnen etwas anzuvertrauen, zu befehlen, zu verbieten oder diese zu berufen. Gott und Abraham ­ einer spricht, der andere hört zu, einer beruft, der andere nimmt diese Berufung gehorsam entgegen.

Wir wollen heute gemeinsam über diese Stelle nachdenken bzw. über die Verhaltensweise des Abraham im Hinblick auf seine Berufung. Was heißt es berufen zu sein, nicht von Menschen, sondern von Gott? In diesem Kontext ist das Verständnis unserer eigenen Berufung von großer Bedeutung für das geistliche Leben und für die Führung unseres Lebens. Bin ich berufen? Wenn ja, wie reagiere ich auf meine Berufung?

Die Person des Abraham ist bei diesen Fragestellungen sehr wichtig und kann uns dabei helfen Antworten zu finden. Denn der Lebensweg des Abraham hat einige Parallelen, einige Ähnlichkeiten zu unserem Lebensweg. Gott fordert und fördert; er verlangt und verheißt zugleich. Was bedeutete es für Abraham, sein Land, seine Verwandtschaft und schließlich sein Vaterhaus zu verlassen und Gottes Ruf zu folgen? Was heißt es, in die Fremde zu ziehen, ohne das Ziel zu kennen, das erst später von Gott gezeigt wird? Da ist zunächst Ungewissheit, fehlende Sicherheit für die Zukunft, nur die Verheißungsworte irgendwann ein großes Volk, ein Segen, der Vater Vieler zu sein und dann einen „großen Namen“ zu haben. Für dieses Wagnis sind Glaube und Vertrauen, Gehorsam und Zuversicht vonnöten. Und dies sind auch die Grundsteine für Abrahams Entschlossenheit eine Wende und einen neuen Anfang zu wagen.

Meine Lieben. Als jeder von uns sich entschieden hat, neu aufzubrechen und zum Studium zu kommen, hat er am eigenen Leib erfahren, was es heißt, seine Heimat, Familie und Verwandtschaft  zu verlassen und in ein fremdes Land zu gehen. Das Verlassen dessen, was uns bis dahin vertraut und heimisch war, ist sehr oft mit Heimweh und Sehnsucht verbunden. Abrahams Lebensbeispiel soll uns ermutigen, unseren Glaubensweg zu beschreiten, denn er ist unser Vater im Glauben (vgl. Gal 3,6-18). Aufgrund des Glaubens konnte er dem Ruf Gottes gehorchen und verschiedene Proben überstehen, denn er und seine Frau Sara wussten, dass Gott immer seinen Verheißungen treu bleibt (vgl. Hebr 11,8-22).

Was ist Glaube, der Abraham hilft Gott gegenüber auch treu zu bleiben. Es ist „Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“ (Hebr 11,1). Feststehen gelingt nur mit Ausdauer. Diese Ausdauer hat Abraham mit seinem Leben bewiesen, denn er musste sich immer wieder auf den Weg machen und immer wieder Neues beginnen. Ur in Chaldäa, Haran, Kanaan bildeten eine Kette von Aufbrüchen. Auch die Überzeugung, dass Gott es mit ihm gut meint, dass Gott stets an seiner Seite ist, hat Abraham immer den nötigen Mut gespendet, ein Segensbringer zu sein, für alle Menschen der Erde. In unserem Text von Gen 12,1-5 kommt das Wort „Segen“ fünfmal vor, genau so oft wie das Wort „Licht“ im Schöpfungsbericht (Gen 1,3-5). Der wahre Segen und das wahre Licht kommen nur von Gott. Wenn man von Gott gesegnet ist, trägt man auch sein Licht in sich. Deswegen wird Abraham bzw. seine Nachkommen zum Licht für die Völker (vgl. Jes 42,6; 49,5f).

Immer wieder stehen wir in unserem alltäglichen Leben vor Entscheidungen dieses oder jenes zu tun: Frühmorgens aufzustehen, in die Vorlesung zu gehen, einzukaufen oder spazieren zu gehen und vieles mehr. In der Führung des geistlichen Leben ist das ebenso: Soll ich im Gebet mein Herz für Gott öffnen? Soll ich mit Gott freundschaftliche Beziehung pflegen oder nicht? Soll ich zur Beichte kommen oder vielleicht etwas später, ohne zu merken, dass inzwischen einige Monate vergangen sind; Soll ich die heilige Eucharistie empfangen und daraus neue Kraft schöpfen oder nicht? Am Umgang mit solchen Fragen kann man erkennen, ob wir unserer Berufung, Priester zu werden, gerecht werden – und wie Abraham bereit sind, alles zu verlassen, was uns unfrei macht, um Verheißungen Gottes zu folgen. Berufen zu sein bedeutet zugleich auch die Bereitschaft Opfer zu bringen und auf manches zu verzichten. Um anderen Segnen zu spenden, muss man zunächst diesen Segen selber haben. Um anderen ein Licht zu werden, muss man selber brennen.

Meine Lieben! Wir gehen gemeinsam den Weg des Glaubens, des Vertrauens auf Gott und auf seine Gnade. Fragen wir uns und denken wir darüber nach, wann haben wir diesen  Ruf zum ersten Mal gehört: Ziehe von deinem Alltag, von deinen Leidenschaften, von deinen alten Gewohnheiten aus, sei von mir berufen und lebe dementsprechend. Werde ein Segen für deine Gemeinschaft und für alle, die dir begegnen. Werde ein Feuer, das Licht und Wärme spendet.

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