Die Nachrichten der letzten Tage, Wochen und Monate bringen uns alle, so meine ich, zum Nachdenken. Denn der Krieg in der Ukraine zwingt nicht nur uns, sondern fast alle Menschen in Europa und außerhalb zum Handeln. So wird von der Regierung angeordnet und empfohlen, zu sparen, wo es nur möglich ist, wie z. B: Verzicht auf unnötige Beleuchtung in den Städten, Verzicht auf Weihnachtsbeleuchtung, öffentliche Gebäude dürfen bis maximal 19 Grad geheizt werden und vieles mehr. Auch der Rektor im COr appelliert an unser Verantwortungsbewusstsein, diese staatlichen Energiesparmaßnahmen zu befolgen, nicht nur, weil es gefordert ist, sondern, weil es auch zu unserem Christsein gehört, achtungsvoll und schonend mit Ressourcen der Erde umzugehen, denn all das ist ja Gottes Schöpfung. Und nicht zuletzt versuche ich meinen drei Kindern beizubringen, warum sie das Licht ausschalten müssen, wenn sie das eine oder andere Zimmer verlassen. Die Nachrichten der letzten Tage, Wochen und Monate bringen uns alle, auch mich persönlich, zum Nachdenken. Dunkle Städte und Dörfer in der Ukraine, nicht, weil es ein Befehl ist, dem es gilt Folge zu leisten, sondern weil 50 % der Energieversorgung im Lande durch die russischen Raketen zerstört sind. Und wenn ich meine Eltern anrufe und sie bei einer brennenden Kerze sitzen sehe, wird es mir sehr bewusst, wie wichtig Licht und Wärme für uns Menschen sind. Lichtquellen, sei es eine Kerze oder ein Leuchter und Wärmequellen, wie z. B. ein Heizofen, bringen Menschen dazu, dass sie zusammenrücken, um vom Lichtspender „beleuchtet“ zu sein und vom Heizofen gewärmt zu werden. Diese Tatsache und auch die sich nahende Adventszeit, bzw. der Adventskranz mit den vier Kerzen, die Sonntag für Sonntag angezündet werden, motivierten mich auf die Lichtsymbolik in der Kirche einzugehen.
Was bedeutet für Dich und für mich das Licht? Welchen Lichtstrahlen will ich folgen? Kann ein Mensch, ein Christ und auch ein Priester für jemand oder für etwas brennen oder zum Lichtträger werden?
Um diese drei Fragen beantworten zu können, lohnt es sich liturgische Texte und Riten näher zu betrachten, die ihren Ursprung unter anderem auch in der Bibel haben. Das erste, was Gott bei der Erschaffung der Welt spricht, ist: „Es werde Licht und es wurde Licht und Gott sah, dass das Licht gut war“ (Gen 1,3f.). Licht, das von Gott ausgeht und die „Weltordnung“ schafft, ermutigt den Psalmisten im Angesicht der Bedrohung und des Krieges zu beten: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil: vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist die Kraft meines Leben: vor wem sollte mir bangen?“(Ps 27,1) „Denn bei dir [Gott] ist die Quelle des Lebens, in deinem Licht schauen wir das Licht“ (Ps 36,10). Der Prophet Jesaja wird auch nicht müde über die Bedeutung des Lichts zu schreiben, indem er den Leser erleuchten lassen will mit den Worten: „Steh auf, werde Licht, denn es kommt dein Licht und die Herrlichkeit des HERRN geht strahlend auf über dir“ (Jes 60,1) Inspiriert vom Geist möchte Jesaja Kunde geben von einem künftigen Licht, nach dem sich alle sehnen: „Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht; über denen, die im Land des Todesschattens wohnten, strahlte ein Licht auf“ (Jes 9,1). In einer gewissen Parallele zum Genesisbuch bringt der Evangelist Johannes die Lichtthematik in seinem Prolog auf den Punkt. Im Anfang war der LOGOS bei Gott und dieser LOGOS war Gott, in dem das Leben war und das Leben war das Licht der Menschen. Dieses wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt, aber die Welt erkannte ihn nicht, er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Dieser LOGOS und dieses LICHT zugleich ist schließlich Fleisch, also Mensch, geworden und hat unter uns gewohnt, Jesus Christus, der einzige Sohn vom Vater. Das ist die Grundaussage des johanneischen Prologs, eine zentrale Aussage über Ursprung und Ziel Jesu Christi, der Licht vom Lichte, wahrer Gott vom wahren Gott ist (Credo).
Meine Lieben! Jesus selbst versteht sich als das Licht, indem er im Streitgespräch mit den Pharisäern sagt „…Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8,12). Somit wird eine deutliche Brücke vom Evangelisten Johannes zum Prolog geschlagen. Jesus ist das Licht, das wir alle heutzutage so nötig haben. Wer diesem Lichte Folge leistet, wird das Leben in Fülle haben.
Bei der Geburt eines Kindes pflegt man zu sagen, das Kind habe das Licht der Welt erblickt und wenn Christus dieses Licht ist, könnte man sagen, der neugeborene Mensch erblickt Christus selbst, was in der Taufe der byzantinischen Kirche besonders beim Überreichen der brennenden Taufkerze, als das Christus-Symbol, zum Ausdruck kommt. Betrachtet man die liturgischen Texte im Stundengebet, sei es Erste Stunde, der byzantinische Orthros oder die Hl. Liturgie der Vorgeweihten Gaben, findet man dort zahlreiche Hinweise, die Christus mit dem Licht in Verbindung bringen. Dies genau zu betrachten, würde sich auch lohnen, doch das würde den Rahmen sprengen. Was ich mir aber erlauben möchte, ist die Betrachtung des Christus-Hymnos, den wir gerade gesungen haben: Freundliches Licht heiliger Herrlichkeit, des unsterblichen Vaters, des Heiligen Seligen, Jesu Christe. Wer also in der Taufe einmal erleuchtet wurde und Christus als Licht angezogen hat, dem vermag der Gesang „Freundliches Licht“ eine Art der Tauferneuerung zu werden; jedes Mal, wenn der Hymnos gesungen wird, sollten wir uns an unsere Taufe erinnern. Das Gebet stammt aus frühchristlicher Zeit, wurde schon von Basilius dem Großen zitiert und als alte Überlieferung bezeugt.[1] Traditio Apostolica, die Kirchenordnung, die dem römischen Presbyter Hippolytus (+235) zugeschrieben wird, beschreibt die abendliche Lichtfeier mit anschließender Agape.[2] Wenn es Abend geworden ist trägt der Diakon eine brennende Öllampe in die mit dem Bischof versammelte Gemeinde und nach dem Dialog „Der Herr sei mit euch…und lasst uns danken dem Herrn, spricht er die Danksagung. Gedankt wird für die Offenbarung des Unvergänglichen Lichtes und der Erleuchtung in Christus. Der vollendete Tag soll als Unterpfand göttlichen Beistandes und Gewährung abendlichen Lichtes als Abbild der Erleuchtung durch Gottes Gnade verstanden werden. Auch Pilgerin Egeria weiß Ende des 4. Jhs. zu berichten von der täglichen Vesper bei der Anastasis-Kirche zu Jerusalem. So schreibt sie in ihrem Reisebericht, dass alle Lampen und Kerzen entzündet werden und ein Licht entstehe ohne Grenze. Das Besondere ist, das Licht wird nicht von draußen hereingebracht, sondern aus einer Höhle, vermutlich vom Ort, wo das Kreuz stand, und wo Tag und Nacht eine Lampe brannte. Und, siehe der Bischof steigt herab und setzt sich mit den Presbytern an ihren Plätzen, indem dann Fürbitten, Gebete, Hymnen samt der Entlassung folgen.[3]
Diese historischen Quellen bezeugen uns, wie hoch die Christen von damals das Licht zu schätzen wussten, in ihm selbst Christus sahen, dessen Licht allen leuchtet. Das Licht, das jede Dunkelheit vertreibt, das Wärme spendet und die Menschen veranlasst, zusammenzurücken. Dunkle Städte in der Ukraine und Energiesparmaßnahme hierzulande und diese kleine Ausführung sollten uns hier Anwesenden einige Impulse geben für die vorweihnachtliche Zeit, für den Advent, der bald beginnt, und an dem die erste Kerze von vier in vielen Häusern und Kirchen angezündet wird. Diese Kerzen mit ihrem Licht und ihrer Wärme sind das Symbol für Christus, das freundliche und wahre Licht, das jedes Herz berühren will.
Zurückkehrend zur Überschrift des heutigen Stillen Abend „Nachfolge und Nachahmung Christi“ und zurückkehrend zu der anfangs gestellten Frage: Welchen Lichtstrahlen will ich folgen? kann ich nur eines sagen. Wenn Du und ich dem Christi Licht nachfolgen und seine „Follower“ werden, kann nichts mehr schief gehen. Denn in den Sozialnetzen ist es ein kühles Wort geworden und jeder Blogger ist sehr stolz darauf, wenn seinem Account Millionen von Abonnenten folgen. Gibt man in Google dieses Wort ein, findet man eine Erklärung mit dem Bild von einer Gans, der die kleinen Gänschen folgen[4], was mich gleich an ein Bild von einem österreichischen Maler, Josef Untersberger, erinnert, auf dem Jesus mit den Aposteln auf dem Ährenfeld darstellt ist.
Das zweite: Jede Vesper und vor allem der Gesang „Freundliches Licht“ soll uns an unsere Taufe erinnern – und – ob wir unserem Christsein, künftig auch dem Priestersein gerecht werden.
Das dritte: Jedes Mal, wenn wir eine Kerze anzünden, sei es hier in der Kapelle oder auch zu Hause, oder gar den Lichtschalter betätigen, soll es uns zum Anlass dienen, Christus zu danken.
Und schließlich das letzte, eine kurze Blitzgeschichte von Martin Buber :
Als Rabbi Naftali eines späten Abends am Rande des Waldes spazieren ging, begegnete er einem Wächter: „Für wen gehst du?” fragte ihn der Rabbi.
Der Wächter nannte den Namen seines Auftraggebers, fügte aber die Gegenfrage hinzu: „Und für wen geht Ihr, Rabbi?” Das Wort traf den Gelehrten wie ein Pfeil. „Noch gehe ich für niemanden!”, sagte er. Lange schritt er schweigend neben dem Wächter einher. „Willst du mein Diener werden?” fragte er endlich. „Das will ich gern”, antwortete jener, „doch was habe ich zu tun?” „Mich zu erinnern”, sagte der Rabbi. Amen.
[1] Vgl. Basilius d. Große, De Spiritu Sancto XXIX,73. Dazu auch Hans-Joachim Schulz, In deinem Lichte schauen wir das Licht (Koinonia IV), Mainz 1980.
[2] Vgl. Peter Plank, PHOS HILARON. Christushymnus und Lichtdanksagung der frühen Christenheit (Hereditas 20), Bonn 2001, bes. 46-54.
[3] PG 67, 640.
[4] https://www.textbroker.de/follower