Priester und Familienvater zugleich. Geht beides zusammen, dass weder Gemeinde noch Familie zu kurz kommt? Heutzutage, wo die meisten der Priesterkandidaten in der Kirche des byzantinischen Ritus sich für eine Familie entscheiden, ist es oftmals eine Herausforderung für einen Mann, der sich auf das Sakrament des Priestertums vorbereitet und gleichzeitig im Sakrament der Ehe seinen Weg als Ehemann beginnt. Für das erste Sakrament, da es keine bessere oder minderwertige Sakramente in der Kirche gibt, geht der Kandidat ins Priesterseminar, in ein Haus, in dem er in menschlicher, intellektueller, spiritueller und pastoraler Hinsicht geformt, ausgebildet wird, in eine Pflanzstätte, in der er sozusagen wie eine „Pflanze“ genug Wasser, Sonne und Nährstoffe für das Heranwachsen kriegt. Nach fünf, sechs Jahren wäre so eine „Pflanze“ sozusagen reif genug fürs Pflücken, damit sie zu den Menschen getragen wird, damit ihre Schönheit mitten in der Gemeinde bewundert wird, damit ihr geistlicher Duft andere faszinieren kann.
Nun gib es ein großes „Aber“. Diese im Priesterseminar gewachsene und gereifte „Pflanze“ möchte noch vor der Weihe eine Familie gründen und dafür „braucht“ man eine passende Frau. Und jetzt, wo soll man hingehen, um sich würdig, vielleicht nicht sechs Jahre aber doch ein paar Jährchen schon, auf das Sakrament der Ehe, vorzubereiten? Es wird manchmal zu einer unüberwindlichen Hürde für einen ausgebildeten Priesterkandidat, der sich auf die Suche macht nach einem Schatz, der sich nicht vergraben lässt, auf die Suche nach der passenden, „richtigen“ Freundin für sein Leben, ja für sein Priesterleben. So erweckt es oft den Eindruck, dass das eine Sakrament dem anderen geopfert wird, dem Priestertum wird die Ehe geopfert. Niemals kann ein Sakrament gegen das andere ausgespielt werden, denn beide finden ihre Würdigung in einem dritten Sakrament, nämlich in der Hl. Eucharistiefeier.
Eine eheliche Lebensform bedeutet ja für den Priester eine Herausforderung im Sinne des Evangeliums und darf insofern nicht bloß als ein »Zugeständnis« an menschliche Bedürfnisse und Sehnsüchte angesehen werden. Der verheiratete Priester wird mit seiner Frau für die Gemeinde in gleicher Weise ein Vorbild für ein gelungenes Leben im Sinne des Evangeliums zu sein haben. Dies erfordert in der Studienzeit eine vertiefte Hinführung zur Theologie der Ehe als Form der Nachfolge, die man als Priester gemeinsam mit der eigenen Frau führen möchte. Die Frage nach der Stellung der Frau eines Priesters innerhalb der Gemeinde wie auch im Leben der Familie kommt insofern heute eine eigene Bedeutung zu, da sich hier manches inzwischen wesentlich geändert hat, da die Ehefrauen von Priestern zuweilen einem eigenen Beruf nachgehen und auch nicht mehr die »Magd« der Gemeinde sein wollen.
Es macht einen wichtigen Unterschied im Eheverständnis aus, daß der westkirchliche Ritus die Trauung auf das irdische Leben der Eheleute und ihr konkretes Zusammenleben in Ehe, Familie und Gesellschaft anspricht, während der ostkirchliche Ritus mehr das Leben der Ehepartner auch in mystisch-soteriologischer und endzeitlicher Perspektive betrachtet, also »über den Tod hinaus«. Schon darin wird sichtbar, daß die Ehe nach kirchlichem Verständnis nicht nur »abgesegnet« wird, sondern durch die liturgische Handlung eine ganze neue Dimension erhält. Nach östlichem Verständnis nahm Christus die menschliche Natur an, aber er selber stammt nicht von der Erde, sondern vom Himmel (1 Kor 15,45-47), so daß er als der neue Adam das Gleichgewicht der Geschlechter wiederherstellt (Gal 3,27f.), weshalb die Kirche von der ehelichen Verbindung als dem »großen Mysterium« der Liebe (Eph 5,32) spricht.[1] Das eheliche Leben bildet jene »kleine Kirche«, nicht bloß weil sie die Keimzelle menschlicher Gesellschaft darstellt, denn in ihr führt das mystische Handeln der Kirche zur Heiligung des Menschen und der menschlichen Gesellschaft als Grundlage einer neuen Welt (vgl. 1 Kor 7,12-14). So spiegelt sich in der Ehe das innertrinitarische Leben wider, wie auch der Ursprung der Ehe nicht im Sündenfall, sondern in der ursprünglichen Schöpfung liegt, hat der dreieine Gott sie doch geschaffen. Dies alles zeigt sich recht deutlich im Ritus, der die Segnung der Brautleute in Beziehung setzt zum Segen Gottes für Adam und Eva im Paradies und zur Vollendung der Menschheit im neuen Jerusalem am Ende der Zeiten (Apk 21,10f.). In all dem zeigt sich der hohe Anspruch, mit dem ein Priester in und mit seiner Ehe zu entsprechen hat. Deshalb bedarf er einer guten und geistlichen Hinführung zum Ehesakrament.
Beim Leben der Schriften der Kirchenväter bin ich auf einen sehr interessanten Vergleich des hl. Johannes Chrysostomus[2] gestoßen; ein Vergleich, der mir auch heute sehr aktuell zu sein scheint. Er schreibt nämlich: „Auch zu den Zeiten der Apostel waren Männer und Frauen miteinander beisammen, denn die Männer waren eben Männer und die Frauen waren wirklich Frauen. Jetzt aber ist es ganz anders geworden. […] Damals waren eben die Frauen tugendhaft, die Männer keusch und enthaltsam. […] Damals konnten die Frauen Reisen machen, ohne in schlechten Ruf zu kommen, während sie heutzutage dem Verdachte kaum entgehen, auch wenn sie ihre Behausungen nicht verlassen. Das hat die Putzsucht und die Üppigkeit mit sich gebracht. Damals waren die Gedanken der Frauen darauf gerichtet, die Predigt des Evangeliums zu fördern; heutzutage, wie sie wohlgestaltet, schön und reizend erscheinen können; hierin suchen sie ihren Ruhm und ihr Glück, an die Erhabenheit und Größe guter Werke denken sie nicht einmal im Traume. Wo gibt es eine Frau, die sich eifrig bemüht, ihren Mann zu bessern? Wo den Mann, seine Frau zu bessern? Nirgends. Alles Trachten der Frauen geht vielmehr auf in der Sorge um Goldgeschmeide, um Kleider und dergleichen Putz des Leibes und um Vergrößerung des Vermögens; der Männer Trachten ist auf dasselbe gerichtet und auf vieles andere noch, stets aber nur auf weltliche Dinge.
Wer frägt vor dem Heiraten nach den Sitten und der Erziehung des Mädchens? Niemand, sondern zuerst frägt man nach dem Gelde, dem Besitzstande, nach dem Vermögen jeglicher Art, gerade als wollte man einen Kauf oder sonst ein Handelsgeschäft abschließen. Oft wird darum die Ehe auch mit dem Namen Vertrag bezeichnet. Wie oft habe ich schon sagen hören: Der hat mit jener den Heiratsvertrag eingegangen, das soll heißen: er hat sich mit ihr vermählt. Man geht Ehen ein, als wäre es ein Kauf oder Verkauf, und versündigt sich so an Gottes Einrichtungen. […] Ich bitte euch daher, seht nicht auf Geld und Vermögen, sondern auf Sittsamkeit und Bescheidenheit. Fragt nach der Frömmigkeit und Tugend des Mädchens; das wird dich glücklicher machen, als wer weiß wie viele Schätze. Wenn du die Gottesfurcht im Auge hast, wird auch das andere hinzukommen; wenn du sie aber übersiehst und nur auf anderes achtest, wirst du auch das nicht finden. […]
Zur Betrachtung
„Woher soll ich die Kräfte nehmen, um das Glück einer Ehe zu schildern, welche vor der Kirche eingegangen, in der Eucharistiefeier bestätigt, mit dem Segen besiegelt ist, welche die Engel ansagen und der himmlische Vater billigt? […] Welch schönes Zweigespann sind ein Paar Gläubige, die eine Hoffnung, ein Ziel ihrer Wünsche, einerlei Lebensweise und dieselbe Art des Dienstes haben! Sie beide sind Geschwister, Mitarbeiter, es ist kein Unterschied vorhanden, weder an Geist noch an Körper. Sie beten zu gleicher Zeit, sie werfen sich zusammen nieder, sie halten zu gleicher Zeit die Fasten, sie belehren, sie ermahnen, sie tragen sich gegenseitig. Sie finden sich in gleicher Weise in der Kirche Gottes und beim Tische des Herrn ein, sowie sie sich auch in Bedrängnissen, bei Verfolgungen und in guten Tagen in gleicher Weise verhalten. Keins hat vor dem anderen Heimlichkeiten, keins meidet das andere, keins wird dem andern zur Last. Gern besucht man die Kranken und kommt dem Dürftigen zu Hilfe. Die Almosen werden gereicht ohne lange Quälerei, das Opfer gehalten ohne Erregung von Verdruß, die tägliche Beobachtung der Religion ist ungehindert. Die Bekreuzung findet nicht verstohlen statt, die Beglückwünschungen nicht mit Zittern, der Segen wird nicht bloß in Gedanken gesprochen. Aus beider Munde ertönen Psalmen und Hymnen, und sie fordern sich gegenseitig zum Wettstreite heraus, wer wohl am besten dem Herrn lobsingen könne. Dergleichen zu sehen und zu hören ist ein Gegenstand der Freude für Christus. Solchen sendet er seinen Frieden.[3]
Fragen zum Nachdenken:
Für diejenigen, die bereits verheiratet sind oder heiraten möchten:
Was vom oben Beschriebenen lässt sich in mein Leben integrieren?
Welche Ehefrau würde ich mir wünschen? Worauf lege ich den Wert?
Für diejenigen, die ehelos leben, oder leben möchten:
Wie verstehe ich meine besondere Berufung ehelos zu leben?
Welche Einstellung habe ich zur Ehe bzw. zur familiären Leben?
Gilt für alle: Das Priestertum ist zunächst ein Amt/Dienst, bevor es ein Stand ist.
Und nicht die Stellung (Topos) meines Lebens rettet mich, sondern die Art und Weise meines Lebens (Tropos).
[1] Johannes Chrysostomus, Hom. 12,5 in Col. (PG 62,387).
[2] Johannes Chrysostomus, Matthäus-Kommentar 73,3-4, in: Texte der Kirchenväter III, München 1964, 573-576.
[3] Tertullian, An seine Frau 9, in: Texte der Kirchenväter III, München 1964, 551f. Tertullian († 220) verfasst zwei Bücher an seine Frau, siehe unter https://bkv.unifr.ch/works/29/compare/41/92778/396